Freistadt oder: Der Nagel im Frauenteich
Über die geografische Lage der Stadt, ihre besondere Beziehung zum Bier, das Selbstbewusstsein, schon 800 Jahre eine Stadt zu sein und das noch zu lösende Bescheidenheitsproblem macht sich der Freistädter Kabarettist Ernst Aigner seine Gedanken.
Wo liegt Freistadt? „Freistadt liegt am Frauenteich, und rundherum liegt Österreich!“. Dieser Kinderreim würdigt treffend den geistigen Rang der Stadt, führt aber geographisch in die Irre. Österreich ist rund um den Teich beim Böhmertor, der einst angelegt wurde, um im Belagerungsfall den Stadtgraben zu fluten, höchst ungleichmäßig angeordnet. Im Gegenteil: Freistadt liegt am Nordrand des Staates, keine zwanzig Kilometer von der Grenze entfernt. Aber genau das hat immer schon die Bedeutung der Stadt ausgemacht, als Handelsstadt an der böhmischen Grenze. Als solche ist sie von den Landesherren im Mittelalter gegründet und gehätschelt worden, eine solche hofft sie nach der Ostöffnung wieder zu werden. Dem topographisch Unbedarften hilft ein anderer Vergleich: Angenommen, jemand würde die Karte Österreichs im Holzmodell an die Wand hängen, der Frauenteich wäre eine gute Stelle, den Nagel einzuschlagen. Wir sind also nicht die Mitte Österreichs, aber der Punkt, um den Österreich sich dreht.
Kleine Stadt, große Kommune
Freistadt ist klein. Jeder kennt jeden und erzählt über die Nachbarn vor allem das, was nicht stimmt. Die Umrundung der Altstadt zu Fuß auf der „Promenade“ ist in dreißig Minuten leicht zu schaffen. Wir haben die Vorteile einer größeren Stadt (Ämter, Behörden, Schulen, Spital), aber nicht deren Nachteile. Mit einer Ausnahme: Freistadt ist ein staugeplagtes Nadelöhr für den Durchzugsverkehr. Im Zuge des Ausbaues der Mühlviertler Schnellstraße S10 soll bis 2015 eine Ost-Umfahrung den Verkehrsinfarkt beheben und die Wirtschaft ankurbeln. Kritiker befürchten aber, dass dadurch nur der Verkehr samt Umweltbelastung weiter steigen wird, ohne positive Folgen für die Stadt. Man wird sehen.
Eine ganz besondere Beziehung haben die Freistädter zu ihrem Bier. Gerüchte, es gäbe hier eine Bierleitung in jedes Haus inklusive Schulbieraktion, stimmen nicht. Aber dass seit 1770 jeder Hausbesitzer in der Altstadt Mitglied der „Braucommune“ ist und damit Anteile an der Brauerei besitzt, ist ebenso kurios wie einzigartig in Europa. Die Auszahlung der Dividende erfolgt in flüssiger Form, wodurch sich endlich der tiefere Sinn des Ausdrucks „Gewinnausschüttung“ erschließt. Derzeit braut sich in der Brauerei einiges zusammen! Bis zur Landesausstellung 2013 wird großzügig aus- und umgebaut. Ein Braugasthof soll errichtet und die Bierkultur in neue Höhen geführt werden. Prost, Mahlzeit!
Alte Stadt mit junger Kultur
Der Erwerb des Stadtrechts ist derzeit groß in Mode. Kaum gibt es irgendwo eine größere Häuseransammlung mit Hallenbad, schon möchten die Gemeinden zu Städten aufsteigen. Wir vergönnen Bad Leonfelden, Gallneukirchen und Pregarten diese Würde, können aber unsere 800 Jahre Vorsprung nicht verschweigen. Denn das sieht man: Unser wertvollster Schatz ist die Altstadt mit Türmen, Stadtgraben und einem prächtigen Hauptplatz. Die Stadtpolitik bemüht sich wacker, die Altstadt lebendig zu halten, die Abwanderung der Geschäfte zu stoppen, den Tourismus anzukurbeln – mit wechselndem Erfolg. Gemütliche Beisln und Lokale für die Jugend gibt es viele, aber die Hotellerie hat schon bessere Zeiten gesehen. Umso wichtiger, dass es eine lebendige Kulturszene gibt! Der Motor dafür ist das Team der Local-Bühne, das für ein kulturelles Angebot sorgt, um das uns viel größere Städte beneiden. Ihr Chef leistet auch in Linz mit dem Moviemento in Sachen Programmkino Entwicklungshilfe. Die Stadtpolitik hat nachgezogen und das älteste Gebäude der Stadt, den Salzhof, zu einem Kulturzentrum erster Klasse ausgebaut.
Fazit
Im Unterschied zu anderen Städten, die behaupten, sie hätten die schönste Altstadt, die lebendigste Kultur und das beste Bier, stimmt es im Fall von Freistadt wirklich. Es wäre aber unfair, Schwachpunkte zu verschweigen. Einen Fehler haben wir noch, die Bescheidenheit. Spätestens 2013 bei der Landesausstellung sollte auch der beseitigt sein.