Buchtipp: Lebensgefährliche Suche nach der Alpenfestung
Österreicher als Spione in den letzten Kriegswochen.
Günter Wels’ Roman "Edelweiß" beruht auf historischen Fakten, die da lauten: Im Februar 1945 springen drei österreichische Fallschirmagenten im Auftrag des britischen Geheimdiensts SOE in deutschen Uniformen über der Ostmark ab. Sie sollen herausfinden, was es mit Hitlers Alpenfestung auf sich hat, und per Funk die Alliierten informieren. Alle drei werden gefasst, erleben in KZ- bzw. Gestapohaft das Kriegsende.
Wels, im bürgerlichen Leben ORF-Journalist Günter Kaindlstorfer, lässt die letzten Kriegswochen aus Sicht eines der drei Spione, Carl Maurer, ablaufen. Der schlägt sich vom Chiemsee über Salzburg und Bad Ischl bis nach Linz durch. Mit einem Kunstgriff bettet der Autor diese Zeit ins heute ein: Maurers Tochter findet in den Unterlagen ihres greisen Vaters, der nach einem unglücklichen Sturz im Krankenhaus liegt, dessen Aufzeichnungen aus 1945. Auf der Buchhändlerin Christine Maurer lastet nicht nur die Sorge um ihren Vater, sondern auch um ihren Sohn, der einer rechtsextremen Bewegung zuneigt, die leicht als Identitäre auszumachen ist.
Der Debütroman des gebürtigen Bad Ischlers und sozialisierten Welsers hangelt sich weder historisch-trocken durch das zusammenbrechende Tausendjährige Reich, noch füllt er übermäßig Action in die Geschichte. Günter Wels gelingt eine zunehmend fesselnde Mischung, die den Leser durch das Konglomerat menschlicher Abgründe und Großtaten führt. Sein Protagonist kommt mit dem Widerstand der Kommunisten in Kontakt, mit den Partisanen im Toten Gebirge, dem Großmut kleiner Bäuerinnen und Häusler, aber auch mit der todbringenden Maschinerie aus Gestapo, SS und Feldgendarmerie. Mit erschütternder Präzision beschreibt er die Bombardierung Attnang-Puchheims. Mit Feinfühligkeit schildert er eine Liebesgeschichte in Zeiten der Verdunkelung.
Es ist keine marktschreierische Fiktion, die Wels akribisch auf Aberdutzenden Zeitzeugenberichten verankert, und auch kein Sachbuch aus dem Dokumentationsarchiv. "Edelweiß" ist schlicht und ergreifend ein guter Roman. (but)
Günter Wels: "Edelweiß", Czernin-Verlag, 404 Seiten, 25 Euro