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Vereinbarung auf Kosten der weiblichen Würde

27. Februar 2017, 00:04 Uhr
Vereinbarung auf Kosten der weiblichen Würde
Barbara Novotny dreht den Spieß mit Thomas Bammer um. Bild: Prieschl

Dario Fos "Offene Zweierbeziehung" in Pregarten.

Im Zuschauerraum der Bruckmühle in Pregarten mussten Sessel dazugestellt werden – so groß war am Freitag das Interesse an Dario Fos tragisch komischem Eheklassiker "Offene Zweierbeziehung" in der Regie des Hausherrn Georg Mittendrein.

Antonia funktioniert wie ein Uhrwerk: Sie schmeißt den Haushalt, sie zieht den Sohn groß, nur mit ihrem Mann läuft nichts mehr. Er genießt ihre Häuslichkeit, alles andere – Sex inklusive – holt er sich bei Jüngeren. Antonia vermisst sein Begehren, sie hadert mit sich und ihrem Körper, weil ihre Pobacken ab 35 den Widerstand gegen die Gravitation aufgegeben haben. Also flüchtet sie sich in Selbstmordversuche.

Die beiden im Linzer Landestheater aussortierten Schauspieler Barbara Novotny und Thomas Bammer balancieren mit großer Leichtigkeit auf diesem schwarzhumorigen Seil, ohne ins allzu Triviale zu stürzen. Sie treten regelmäßig aus den Rollen heraus – als Novotny mitten im ehelichen Trubel die Spieltermine der Produktion anpreist, sogar zu weit. Ist das Publikum nun Verbündeter oder Marketing-Zielgruppe?

Plötzlich erwacht Antonia

Der bizarre Einblick in die vier Wände nimmt Fahrt auf, als sich Antonia wieder einmal im Bad einsperrt, um das Elend mit einer Überdosis Tabletten zu begraben. Sie scheitert erneut, ihr Mann nicht: Er schlägt eine offene Beziehung vor, und das Patriarchat nimmt noch perfidere Züge an. Als er Antonia bittet, mit seiner Geliebten zum Frauenarzt zu gehen, um ihr die Spirale einsetzen zu lassen, setzt sich ein emanzipatorischer Prozess in Gang: Antonia sammelt die Scherben ihrer Würde auf und begegnet einem Tausendsassa – Novotny hat sich längst königlich auf Betriebstemperatur gespielt. Er ist Physiker, Nobelpreisanwärter, Gitarrist und Poet – ihr Gatte rast vor Eifersucht, nur Bammer bleibt um eine Nuance zu harmlos. Er will Antonia zum Sex nötigen, später zuerst sie, dann sich selbst töten. Also erklärt Antonia den Frauentraum als frei erfunden – bis dieser dann doch an der Tür klingelt.

Erwarten Sie bloß kein Happy-End, aber witzige eineinhalb Stunden. (pg)

Schauspiel: "Offene Zweierbeziehung", Tragikomödie von Dario Fo, Regie: Georg Mittendrein, Bühne: Georg Lindorfer, Premiere: Bruckmühle Pregarten, 24. Februar, Termine: Theater Drachengasse Wien: 16.-18. März; Tribüne Linz (Tel: 0699/11 39 98 44): 7., 8., 20., 21., 26., 29. April; 4., 5., 6. Mai.

OÖN Bewertung:

 

Dario Fo

Die Juroren, die den Italiener Dario Fo (1926–2016) 1997 mit dem Nobelpreis auszeichneten, charakterisierten ihn als einen Bühnenkünstler, „der in Nachfolge der mittelalterlichen Gaukler die Macht geißelt und die Würde der Schwachen und Gedemütigten wiederaufrichtet“. Die Tragikomödie „Offene Zweierbeziehung“ wurde 1983 von Fo selbst und seiner Frau Franca Rame (1929–2013) uraufgeführt.

 

 

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