Kopfhörer #63: Augen zu und Abflug!
Urlaubsgefühle kann man konservieren. Wenn sie nachlassen, muss man sie auffrischen. Möglicherweise auch nur im Kopf. Tür 7 im musikalischen Adventkalender beginnt mit einer Spanien-Reise.
Urlaub spielt es ja momentan nicht, da bleibt einem (fast) nur das Kopfkino. Die Vorstellungskraft macht zwar vieles möglich, aber die passenden Bilder, die ein wenig vom derzeit wenig erbauenden Alltag ablenken, zaubern sich dennoch am leichtesten, wenn man die richtige Musik im Ohr hat.
Olivero, der Flamenco-Gitarrist von Ruf und Güte mit Innviertler Heimat, kann einen schon in spanische Gefilde entführen. Für seine neue Single „Juntando Amores“ hat er sich Grammy-Gewinner Alain Pérez ins Boot geholt. Das ergibt ein zündendes Feuerwerk an Gitarrenakrobatik und großartiger emotionaler Gesangsstimme. Kopfkino mit Urlaubsgefühlsgarantie - und wenn man nicht heimfahren will, kann man die Augen geschlossenen halten und die Wiederholungstaste drücken.
Was wäre ein Rocksong ohne Gitarrensolo? Nur bestenfalls ein halbes Vergnügen. Eben. Dieser guten, weil millionenfach bewährten Formel, widmen sich Black Label Society in „Forever And A Day“. Die Rockballade mit Harmonie-Refrain (und eben einem ausgedehnten Gitarrensolo in der zweiten Hälfte) stammt aus dem aktuellen Album „Doom Crew Inc.“ (Spinefarm Records) und ist bei aller klischeebehafteten Erfolgsformel-Erfüllung jener der 12 Songs, der sich nachweislich am meisten im Gedächtnis einbrennt.
Es braucht oft nur Sekunden, um zu erkennen, dass sich da etwas aus der Masse heraushebt. So passiert mit „Cold Place“ des Wiener Rock-Duos Old Mrs Bates. Da fließt die lyrische Note in fetten Gitarren-Schlagzeug-Sound über und zwar mit so einer Wucht, dass einem fast die Luft wegbleibt. Old Mrs Bates überzeugen mit fettem frischen Sound. Die EP soll bald folgen. Man darf gespannt sein.
Warm ums Herz kann einem auch bei Mitski werden. Ihr Song „Heat Lightning“, Vorbote des für Februar angekündigten Albums „Dead Oceans“, verführt mit Ohrwurm-Refrain, der auch nach mehrmaligem Konsum keinen Schaden nimmt. Ein Lied voll feiner Nuancen und Gefühl.
Tom Gregory hat viel übrig für treibende Rhythmen und poppige Melodien, die sich schnell im Kopf des Hörers festsetzen. Der britische Songwriter setzt auf seinem zweiten Album „Things I Can’t Say Out Loud“ (Kontor Records) diese Stärken wieder ein, um zu beeindrucken. In ein paar Momenten („Lonely Heart“, „River“) tut er dies auch, zu oft kämpft er allerdings damit, dass er das Erwartbare liefert und so im Sog unzählig vieler anderer Songwriter der Zeit keine hohen Wellen schlägt. „Man Still Cries“ etwa klingt, als hätte er an einem Workshop von Ed Sheeran teilgenommen. Will heißen: Tom Gregory schreibt ganz passable Songs, kämpft aber noch ein wenig mit dem fehlenden Markenzeichen einer gewissen Unverwechselbarkeit.