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Eitle Liebe: Beziehung zu einem Narzissten

Von Pia Niederwimmer, 21. Jänner 2015, 00:04 Uhr
Luxurious couple
Bild: colourbox

LINZ. Laut Statistik weisen 75 Prozent der Männer und 25 Prozent der Frauen narzisstische Züge auf: Die Beziehung mit einem Narzisten stellt eine Achterbahnfahrt der Gefühle dar.

Und wieder einmal wurde Anja verletzt. Noch vor ein paar Monaten schwebte sie im siebten Himmel. Ihr Ex stellt sich zunächst als wunderbarer Mann dar. Schon nach zwei Wochen redet Thomas von Heirat und Kindern. Schnell fällt ihr aber auf, wie sehr er über seine Umgebung schimpft. Alle sind „Idioten“, die ihn nicht genug schätzen, in der Arbeit, im Freundeskreis, im Verein.

Und bald schon kann auch sie nichts mehr richtig machen. Hat er sie früher freudestrahlend in allem bewundert, ist es jetzt das Gegenteil. Wenn ihre Strumpfhose eine Laufmasche hat, wenn die Augenbrauen nicht perfekt gezupft sind, gibt es keine zärtlichen Gesten mehr. Vor allem aber dann, wenn sie etwas von ihm erwartet, und sei es nur eine Kleinigkeit.

Während Anja in der Beziehung gnadenlos abgewertet wird, baut sich ihr Partner auf. Jeden Tag stellt er sich vor den Spiegel und sagt „Ich bin schon ein geiler Typ“ und wartet auf ihre Bestätigung. Irgendwann kann sie nicht mehr. Sie kann ihn nicht mehr loben, aufbauen und sich selbst verleugnen. Anja fühlt sich wie ausgesogen. Sie beginnt einem Verdacht nachzugehen und sucht sich durch das Internet. In Foren erfährt sie von Geschichten wie der ihren. Und immer ist ein Wort involviert: Narzissmus.

Narzissmus begleitet auch Sam Vaknin schon sein ganzes Leben lang, wenn auch in einer anderen Form. Er wurde als psychopathischer Narzisst diagnostiziert. Vaknin hat sein Leben der breiten Aufklärung dieses Persönlichkeitsbildes und der quälenden Folgen für die Mitmenschen verschrieben, sein Buch „Malignant Self Love – Narcissism Revisited“ ist ein Bestseller.

Verehrung ist die Droge des Narzissten

„Warum ich das mache? Wahrscheinlich nicht, weil ich reumütig bin, sondern weil ich mir damit narzisstische Versorgung hole“, erklärt der Autor sein Motiv. Narzisstische Versorgung – es ist die Droge des Narzissten. Er braucht Aufmerksamkeit, Verehrung, Zustimmung, um seine innere Leere zu füllen. Landläufig gelten Narzissten als selbstverliebt. Dabei sind sie lediglich selbstbezogen, denn echte Liebe vermag der Narzisst weder für sich noch für andere zu empfinden. „Es ist eine Serie an Defiziten, vor allem an Mitgefühl. Darum bezeichne ich Narzissten auch als Alien-ähnlich, sie sind nicht menschlich. Denn was macht uns denn menschlich? Die Empathie!“ erklärt Vaknin. Wichtig ist hier von übersteigertem und krankhaftem Narzissmus, oder, bei extremer Form, von narzisstischer Persönlichkeitsstörung zu sprechen, denn jeder Mensch trägt narzisstische Anteile in sich.

Vaknin schätzt, dass fünf Prozent der Menschen starke narzisstische Züge aufweisen. Statistisch sind 75 Prozent davon Männer, 25 Prozent Frauen. Narzissmus im Erwachsenenalter manifestiert sich in vielen Facetten und häufig treten Kombinationen mit anderen Persönlichkeitsstörungen auf. Dabei ist der Narzisst selbst ein Opfer, und zwar das Opfer seiner Kindheit. Die Störung ist die Reaktion auf Missbrauch. Dieser Missbrauch kann aber nicht nur körperlich, sexuell, verbal oder emotional sein. Für Sam Vaknin ist es genau so falsch, das Kind auf ein imaginäres Podest zu stellen und zu viel von ihm zu verlangen. Auch hier fungiert das Kind als Objekt, die Grenze zwischen Kind und Elternteil verschwindet.

Ist ein oder beide Elternteile narzisstisch, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass das Kind zum Schutz narzisstische Züge aufbaut, etwa bei ständiger negativer Kritik. Beziehungen mit einem Narzissten durchlaufen einen typischen Kreislauf: Idealisierung – Entwertung – Wegwerfen.

Die Idealisierungsphase ist die Zeit der Umwerbung, der oder die Auserwählte werden auf ein Podest gestellt. Narzissten suchen ihre Beute nach vielen Faktoren aus. Es gefällt ihnen oft, eine schwerer erreichbare Person zu verführen und sie sind dabei sehr charmant. Häufig bombardieren sie den oder die Auserwählte geradezu mit Aufmerksamkeit, Geschenken und Schmeicheleien.

Sobald die Eroberung aber geglückt ist und die narzisstische Droge Bewunderung und Aufmerksamkeit fließt, kann das auch schon der Wendepunkt sein. Denn der Partner kann der Über-Idealisierung niemals standhalten. Der Narzisst erkennt, dass sein Gegenüber ein Mensch aus Fleisch und Blut ist, mit Ansprüchen, Wünschen und auch Fehlern.

Der Kardinalsfehler ist dabei die Kritik an der selbsteingeschätzten Perfektion des Narzissten. Er nimmt der Kritik die vernichtende Kraft, indem er den Kritiker abqualifiziert, und bedient sich dabei vieler Mittel. Der Partner fragt sich: „Was ist passiert? Was habe ich falsch gemacht? Warum bekomme ich keine Liebe, keine Aufmerksamkeit mehr?“ und schiebt die Schuld zuerst einmal auf sich.

Der Prinz kam im Luxus-BMW

„Sie wählen dich aus, umwerben dich, stellen dich auf ein Podest – und wenn sie dich von dort wieder runterholen, brechen sie dir auch gleich das Genick,“ erzählt eine Oberösterreicherin, wir nennen sie Emma, die gerade aus einer Romanze mit einem Narzissten kommt. Der Prinz kam nicht am weißen Pferd, sondern im schwarzen Luxus-BMW. Erfolgreich, gutaussehend und sehr charmant – Emma nannte ihn insgeheim ihren „Mr. Grey“ nach dem Bestseller „Shades of Grey“. Doch Emmas Partner hatte auch viele nicht so angenehme Gemeinsamkeiten mit der Hauptfigur im Roman: besitzergreifend, dominant, zerstörerisch, endlos kritisierend. Ihre Daseinsberechtigung bestand vor allem in seiner Bedürfnisbefriedigung. Keiner ihrer Freunde konnte verstehen, warum sie den nach außen hin so fürsorglichen Mann nach monatelangem schweren Leiden schließlich verließ.

Die Aussichten für Narzissten im Alter malt Vaknin nicht rosig, zumindest ohne professionelle Hilfe. „Früher oder später, aber gerade im Alter, implodieren Narzissten. Denn in ihrem Inneren befindet sich ein Vakuum, sie haben kein eigenes Selbst, nur das, was sie von anderen nehmen können, etwa Aufmerksamkeit und Verehrung. In vielen Aspekten sind sie wie blutleere Zombies oder Vampire, die sich von anderen ernähren,“ beschreibt Vaknin ein düsteres Bild.

Für in die Narzissmusfalle getappte Partner empfiehlt Vaknin wenn irgend möglich eine Trennung. „Gehen Sie nicht, laufen Sie! Ein ausgeprägter Narzisst hat sich nie um sie geschert und wird es auch nicht tun,“ rät Vaknin drastisch. Tatsächlich ist der Leidensdruck für Partner extrem groß, wie Dr. David Oberreiter von der Landesnervenklinik Wagner-Jauregg bestätigt.

Trotz vieler Demütigungen empfinden es Betroffene besonders schwierig, einen Narzissten zu verlassen. Die romantische Anfangszeit kann nicht vergessen werden: Das große Ausmaß an Bewunderung und Liebe versetzen das Opfer in eine Art Abhängigkeit mit Suchtfaktor. Und auch dazwischen gibt es immer wieder Phasen, wo fast alles wie zu Beginn ist. Diese Perioden verleiten die Partner, an der Beziehung festzuhalten. Sie haben die falsche Hoffnung, den „magischen Schlüssel“ zu finden, und passen ihr eigenes Verhalten dem Narzissten an. Es gibt letztendlich aber keinen Algorithmus für diese guten Phasen. Der magische Schlüssel existiert nicht, die leidenden Partner laufen in der Beziehung „auf Eierschalen“.

Christian Grey will uns ab Februar auf der Leinwand verführen. Über 70 Millionen Mal wurde das Buch mittlerweile verkauft. Experten warnen, dass in der Geschichte der Narzissmus als Ideal hingestellt wird. Frauen träumen in Internetforen vom „echten Mann, der sich nimmt, was er will“. Emma wird sich den Film nicht ansehen. Sie hatte ihren Mr. Grey im echten Leben.

 

Die Narzissmusfalle: Beim ersten Date

- Der Betroffene spricht schon beim ersten Date fast nur über sich selbst und das in einer aufgeblasenen Art.

- Spricht schlecht über andere, übernimmt keine Verantwortung für Fehler, immer sind „die anderen schuld“.

- Demütigt Bedienstete wie das Servierpersonal oder den Taxifahrer

- Sieht das Gegenüber schnell als „Eigentum“ und bestimmt über den weiteren Verlauf des Abends und einer möglichen Beziehung.

- Narzissten haben oft eine unflätige Sprache, benutzen viele Schimpfworte, sind besonders zynisch und werten andere Menschen auch sprachlich schnell ab.

- Zeichen der Dominanz: Nimmt die Autoschlüssel und Eintrittstickets des Gegenübers an sich.

- Ist oft auf brutale Weise ehrlich. Beispiel: „Hast Du das in der Altkleidersammlung gefunden?“ Verpackt solche Aussagen oft als Scherz.

- Schaut auf jeden herab, der Schwäche zeigt und in seinen Augen eine Schwäche hat, etwa eine Behinderung, Übergewicht.

- Im Zweifelsfall Zeit lassen beim Voranschreiten einer Beziehung

 

Drei Fragen an David Oberreiter, Facharzt für Psychiatrie von der Linzer Landesnervenklinik Wagner-Jauregg:

David Oberreiter
David Oberreiter Bild: privat

Wie oft sind Sie bei Ihrer Tätigkeit mit Narzissmus konfrontiert?
Der reine Narzissmus als Persönlichkeitsstörung ist selten. Narzisstische Persönlichkeitsanteile begegnen uns in unserer Arbeit allerdings häufiger. Die Betroffenen suchen hier aber eher Hilfe wegen eines Burn-outs oder einer Depression. Erst in den Gesprächen ergeben sich dann die Probleme dahinter.

Können narzisstische Störungen geheilt werden, und was ist bei der Therapie zu beachten?
Psychotherapie kann Weiterentwicklung und Veränderung bewirken, wodurch sowohl bei den Betroffenen als auch bei den Angehörigen Leiden vermindert wird. In einer Therapie kann man erfahren, dass man bedingungslos akzeptiert ist, dass man nichts tun muss oder besonders grandios erscheinen muss, um Anerkennung zu bekommen. Wenn man diese Erfahrung einmal gemacht hat, dann kann man sich auch selbst besser annehmen und sich entwickeln. Narzissten können lernen, dass sie nicht so angewiesen sind auf die Bewunderung von außen. Gerade zu Therapiebeginn ist mit Beleidigungen seitens des Menschen mit narzisstischer Störung zu rechnen.

Was können Partner von Narzissten in der Praxis tun?
Sie müssen eigene Ansprüche formulieren. Der Narzisst muss merken, dass das Gegenüber eine eigene Persönlichkeit ist. Gleichzeitig hat der Narzisst oft das Bedürfnis nach Distanz, dies muss vom Partner bestmöglich akzeptiert werden.

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1  Kommentar
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Zaungast_17 (26.837 Kommentare)
am 22.01.2015 00:14

macht mit Sicherheit auf Dauer einsam!

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