"Kinder wachsen oft in Plüsch-Umgebung auf"
Als Schutzschirm oder Immunsystem für die Psyche wird Resilienz oft umschrieben. Gemeint ist damit die Widerstandskraft, die der Mensch entwickelt, um schwierige Lebenslagen bewältigen zu können.
Belastende Situationen, Herausforderungen, Stress nehmen auch in der Welt der Kinder einen immer größer werdenden Platz ein. "Der kindliche Lebensalltag hat sich in den vergangenen Jahren schon drastisch verändert", sagt Lebens- und Sozialberaterin und Familien-Coachin Barbara Hüttner aus Gmunden. Kinder verbringen heutzutage weniger Zeit in der Familie und werden vermehrt fremdbetreut. "Ich möchte dies gar nicht negativ bewerten. Aber Tatsache ist: Kinder verbringen viele Stunden in einer großen Gruppe, oft mit viel Lärm, vielen Reizen und wenig Rückzugsmöglichkeiten", so Hüttner.
Der Familienalltag ist schnelllebiger geworden, stressiger, schon im Kindergartenalter sind die Kleinen einer Flut an Informationen ausgesetzt. Medien wie Tablet, Konsole oder Smartphone üben große Faszination auf den Nachwuchs aus, was auf Kosten der Bewegung und Zeit an der frischen Luft geht. Auch die Zahl der Personen, zu der ein Kind Vertrauen hat, ist im Vergleich zu früher, als es noch mehr Großfamilien und stärkere Nachbarschaftsverbände gab, geschrumpft. "Um unter diesen Bedingungen gut mit herausfordernden Situationen umgehen zu können, ohne seelischen Schaden zu nehmen, braucht es resiliente Kinder", sagt die Beraterin. Diese können Stress besser bewältigen, sind emotional stabiler und haben oft ein höheres Maß an Selbstwertgefühl.
Eltern oft übervorsichtig
Resilienz ist keine angeborene Eigenschaft von Menschen, sondern eine Fähigkeit, die wir von klein auf entwickeln. Durch Erfahrung entsteht bei Kindern ein positives Selbstkonzept und die Selbstsicherheit, auch mit einer schwierigen Situation umgehen können. Hüttner: "Das heißt nicht, dass Kinder mit Resilienz keine Probleme wahrnehmen oder dass Schwierigkeiten von ihnen ferngehalten werden. Erst durch das eigene Erleben entwickeln sie das Vertrauen, Aufgaben zu schaffen." Für Eltern ist dies jedoch oft eine Gratwanderung. Im Bestreben, sie bestmöglich zu beschützen, lassen viele ihren Kindern wenig Freiräume zum Ausprobieren. Sie versuchen, ihnen alle Steine aus dem Weg zu räumen und sie vor Kratzern zu bewahren. "Kinder wachsen heute oft in einer Plüsch-Umgebung auf, wo ihnen nicht viel zugetraut wird und wo sie diese wichtigen Erfahrungen nicht mehr machen können", so die Erziehungsexpertin, die selbst Mutter von vier Kindern ist. "Wenn Eltern ihren Nachwuchs aber vor allen negativen Gefühlen schützen wollen, dann ist dies sehr hinderlich für die Entwicklung von Resilienz."
Erfolgserlebnisse wichtig
Viel zu schnell würden Erwachsene oft eingreifen, um ihren Kindern Anstrengungen und Frust zu ersparen – wie etwa dem Baby, das versucht, an ein Spielzeug zu gelangen, bis Mama oder Papa zu Hilfe kommen, damit es sich nicht mehr plagen muss. "Natürlich wollen alle nur das Beste für ihr Kind, aber man bringt es damit um dieses so wichtige Erfolgserlebnis, etwas alleine geschafft zu haben." Es sei laut Hüttner wichtig, dass Kinder in einer fehlertoleranten Umgebung groß werden, die sie nicht in Watte packt, sondern ihnen zugesteht, Herausforderungen selbst zu meistern. Entscheidend für die Ausbildung von Resilienz sei auch die Fähigkeit, Emotionen zu erkennen, zu verstehen und angemessen zu reagieren. Kinder, die lernen, ihre Gefühle zu regulieren, sind besser gerüstet, um mit Stress und Herausforderungen umzugehen.
Eltern rät sie dazu, ihre Wahrnehmung auf die Stärken ihres Kindes zu lenken und ihm das Gefühl zu geben, dass es gut ist, so wie es ist. "Dass man nicht nur die Fehler herausstreicht, sondern immer wieder betont, was ihm besonders gut gelungen ist, in einem realistischen Ausmaß", so die Familien-Coachin.
Online-Seminar: "Resilienz bei Kindern stärken" ist Thema eines kostenlosen Webinars von Barbara Hüttner am 13. Juni um 19.30 Uhr. Infos auf familienbeziehungen.at