Bitte nichts Grünes in den Gästhäusern!
In unseren Gasthäusern spielen sich mitunter erschütternde Szene ab, wenn die Eltern mit dem Speisentransport beschäftigte Servicekräfte anbetteln: Bitte kein Grün auf die Nudeln für das Kind.
Doch die Servicekraft hört nicht oder erhört die Bittenden nicht, weil wenn der Nudelteller durch die Gaststube balanciert wird, kauert wie zum Trotz eine feine Schicht Petersilie auf den Pinocchio-Spaghetti. Aus der Kinderecke dröhnt sogleich ein schauerliches Geheul samt tränenreicher Androhung, unter diesen Umständen gar nichts zu essen – damit es sich Eltern und Servicekraft auch ein für alle Mal merken.
Ältere Mitbürger missbilligen mitunter solche Szenen und erinnern einander an die guten alten Zeiten, als der einst noch eindeutig definierte Familienvorstand unter Anwendung des unmittelbaren Zwangs niemanden aufstehen ließ, ehe alle alles aufgegessen hatten – wurscht, ob Hirn mit Ei oder Omas Beuschel aufgetischt worden war. Wobei wir von einem Beuschel sprechen, das Oma zubereitet hat, alles tiefer gehend Bizarre ist unbeabsichtigt und entspringt der abgründigen Fantasie der Leserin beziehungsweise des Lesers.
Heute weiß man, solche Zeiten waren eher alt als gut. Der Aufesszwang löste bei kulinarisch Gedemütigten einen bunten Strauß an traumatischen Belastungsstörungen aus. Erwachsene Männer fangen mitunter an zu weinen, wenn sie im Supermarkt eines Karfiols ansichtig werden. Frauen werden von nächtlichem Spuk heimgesucht, bei dem eine grinsende Großmutter gebieterisch im Topf mit Innereien rührt.
Insofern ist die Frage zulässig, wie das Grün auf Nudeln die Psyche der Dreikäsehochs verfärben wird.