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Ich habe Angst

Von Tex Rubinowitz, 28. November 2024, 15:46 Uhr
Welser Stadtschreiber Tex Rubinowitz
Bild: colourbox

Ich mache mich oft in Hotels quasi unsichtbar, keine Ahnung warum, kokett so zu tun als schäme man sich seiner Existenz oder nur ein distinktiver Tic um sich von dem flegelhaften Teil der Gesellschaft abzugrenzen, der Hotelzimmer immer so verlässt, wie er es bei sich zuhause nie täte, oder aber deren Schuld sozusagen zu sühnen.

Ich benutze beispielsweise in Hotels zum Abtrocknen niemals die Handtücher, sondern immer nur die Badezimmerfußmatte, bediene mich natürlich nicht an der Minibar, wenn Müll anfällt, nehme ich ihn immer mit, und wenn ich gehe, mache ich das Bett möglichst akkurat, so wie ich es vorgefunden habe, dass das Reinigungspersonal denkt, da war niemand im Zimmer, die einzige Spur, die ich hinterlasse, ist, einen Zollstock unter dem Polster zu deponieren, ich hab ja immer Zollstöcke bei mir, also nicht bei langen Reisen, nur bei Trips, ein bis zwei oder drei Nächte, drei Zollstöcke. Tja. Was denkt man, wenn man in einem augenscheinlich unbenutzten Zimmer einen Zollstock unterm Polster findet? Vermisst da einer seinen Traum? Und wenn es schon das ist, und wegen der Doppeldeutigkeit des Verbs, ist es gut.

Das Zimmer verwüsten, ein Blutbad hinterlassen, den Fernseher aus dem Fenster schmeißen, am Spiegel mit Lippenstift eine Botschaft hinterlassen ("Danke für die Nacht, den Orgasmus kauf ich mir aber lieber woanders"), in der Wanne schwimmt ein Karpfen namens Uwe, und sich mit allen fünf Handtüchern gleichzeitig abtrocknen, das kann jeder, das wird geradezu erwartet.

Vor vielen Jahren war ich schon einmal in Wels, ich hatte eine Lesung in dieser prachtvollen Tabakröhre ("Austria Tabak Pavillon"), in der leider viel zu wenig passiert, ich kam Abends an, hatte den ganzen Tag nichts gegessen, das einzige, was in Wels noch aufhatte, war ein kleiner Laden mit keinem nennenswerten Lebensmittelangebot, außer hartgekochten, gefärbten Ostereiern, ich kaufte eine Schachtel mit sechs grünen Eiern, aß sie alle im Hotelzimmer, ohne alles, kein Salz, nichts, verließ das scheinbar unangetastete Zimmer am nächsten Morgen wie üblich, nahm auch die Eierpappe mit, verzichtete aber diesmal auf den Zollstock unterm Kissen, und deponierte stattdessen dort den Haufen an grünen Eierschalen. Einen Traum von einem großen grünen Huhn ließ ich im Zimmer, überließ ihn dem Reinigungspersonal zur Interpretation.

Nun, als jemand, der in Wels in gewisser Weise angekommen ist, sich nicht mehr unsichtbar machen kann, seine Spuren nicht mehr verwischen und Zollstöcke nicht mehr verstecken muss, frag ich mich, erkennt mich das Reinigungspersonal von damals irgendwann im Geflecht der drei Bahnhofsstraßen, stellt mich gar zur Rede, analysiert mich und meinen Traum vom großen grünen Huhn? Und was, wenn? Rupft man mich, um an meine Seele zu kommen? Ich habe Angst. Kam Freud eigentlich je nach Wels?

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Tex Rubinowitz
Welser Stadtschreiber
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