Arrivederci Wels
Es gibt ein Lied von Rita Pavone aus dem Jahr 1968, es heißt "Arrivederci Hans" und geht so: "Arrivederci Hans, das war der letzte Tanz, das Licht geht aus im Lokal, drum küss mich noch mal, bevor ich nach Hause geh".
Dieser Kracher ist vermutlich das fröhlichste Abschiedslied, das es gibt, ich hatte mal eine Freundin namens Rita, auch sie eine Garçonne wie die Sängerin, wenn ich mit ihr zusammen war, hatte ich ihr Lied stets im Ohr, so als müsste ich mich permanent ins Gesicht boxen, wach auf, so eine tolle Frau, und nichts bleibt für immer, banne die Verlustangst mit ihrem Lied in diesem Moment, versuche ihn so lange festzuhalten, wie du kannst.
Und so geht es mir mit Wels, denn dies ist meine letzte Kolumne als Stadtschreiber. Die Kolumne ist mir eine schöne Regelmäßigkeit geworden und die gastgebende Stadt die Begleitmusik zum Text, nicht andersrum. Indem ich in der Stadt war, wurde ich der Text zum Ort. Diese Seelenausleuchtung nennt sich Psychogeographie, was macht der Ort mit einem, wer wird man, wie diffundiert man in das Wesen von Wels, was bleibt von einem übrig? Ich habe dem Bürgermeister am Anfang meines Aufenthalts meine Geschichte erzählt, wie ich hierherkam, ich bin ja aus der etwa gleich großen norddeutschen Stadt Lüneburg, dort habe ich mich zweimal als Stadtschreiber beworben und bin es zweimal nicht geworden, meine Rache an Lüneburg heißt also Wels. Aber die Rache ist zu Neugier geronnen, und das ist auch gut so, Rache ist ein Gericht, das kalt serviert am besten schmeckt, nur brauche ich wenigstens einmal am Tag eine warme Mahlzeit, nicht nur eine buchstäbliche, sondern auch eine metaphorische, das Positive in der Stadt suchen und finden, sich ein zugewandtes Bild aus den Details bauen, die Details, die den Welsern vielleicht gar nicht mehr auffallen, und ihnen dieses subjektiv zusammengepuzzelte Bild anbieten, schaut her, sieht doch ganz okay aus, könnte man da und dort vielleicht noch etwas nachbessern, aber passt doch alles in allem.
Im Tiergarten gibt es eine Voliere mit fünf lachenden Hänsen, der Lachende Hans, auch Kookaburra genannt, ist ein dickschnabeliger Vogel aus Australien, die Vögel bleiben ihr ganzes Leben einem einzigen Partner treu. Nun frage ich mich für die Welser, was macht der fünfte Lachende Hans? Wem ist er treu, bleibt er nur Zaungast der Treue der anderen? Oder steht er über dem Konzept der heteronormativen Monogamie? Nascht er mal hier, mal dort? Aber vielleicht schmeckt ihm das Zölibat ja besser, egal ob kalt oder warm serviert. Diesem Vogel widme ich, wenn ich bei Radio Wels Dienst täte, ein Abschiedslied:
Arrivederci Hans
Das war der letzte Tanz
Es wird bald wieder so sein
Vergiss mich nicht ganz
Oh, arrivederci Hans