Ein Sprachmeister und Menschenfreund
„Lebenszeichen“: Alois Brandstetter legt neues Buch vor
Alois Brandstetter lässt in seinen Romanen oft markante Erzählerfiguren sprechen, die ihre Meinungen über Gott und die Welt in rhetorischen Kunst- und Kraftakten darlegen. Vermutungen darüber, ob Brandstetter diese Erzählerfiguren als eigenes Sprachrohr einsetzt, oder ob er zu ihnen eher in ironische Distanz tritt, begleiten die Wirkungsgeschichte seines epischen Werks.
Wenige Wochen vor Brandstetters 80. Geburtstag am 4. Dezember ist ein Buch erschienen, das zur Klärung dieser offenen Fragen einiges beiträgt, denn in „Lebenszeichen“, einer Sammlung von 24 Prosatexten, spricht Brandstetter in seinem Namen über vieles, das ihm begegnet ist und Anlass zum Räsonieren und Reflektieren gegeben hat.
Essen, Trinken, Rauchen …
Er schreibt über das Essen und Trinken, über das Rauchen, über Kleidung und Mode, über den Bau und Rückbau, zum Beispiel über den Rückbau seines „Swimmingpools“, den er als „kostspieliges Ende einer zwanzigjährigen Fehlinvestition“ bezeichnet.
Ein feiner, geistreicher Humor und eine treffende, aber nie verletzende Ironie gehörten immer schon zur „Marke“ Brandstetter, ebenso wie der fundierte analytische Verstand des Philologen, der die Dinge kenntnisreich aus den Wörtern erklärt, durch die sie bezeichnet werden.
Konsequente Heimatliebe
Zum Beispiel geht er der Frage nach, warum der „Werbefritze“ kein „Werbekarl“ ist. Familiennamen und ihre Bedeutungsgeschichten erweisen sich als aufschlussreich. Alle Brandstetters (oder Brandstätters) können erleichtert sein. Ihre Vorfahren sind nicht samt ihrer Wohnstatt abgebrannt, sondern haben dieselbe erst durch gezielt gelegte Brände ermöglicht. Der „Brandstetter“ ist nämlich einer, der sich auf einer durch Brandrodung bewohnbar gemachten Fläche angesiedelt hat.
Zur Heimat Oberösterreich hat der Mostdipf-Preisträger und Sohn eines Müllers aus Pichl bei Wels eine respekt- und liebevolle Beziehung. Das hat ihm und seinem Werk in Zeiten, in denen die „Antiheimatliteratur“ literarische Mode war und „Heimat“ als politisch verdächtiges Unwort galt, nicht geholfen. Brandstetter hat trotzdem seinen weltanschaulichen und poetologischen Standpunkt vertreten, immer konsequent, nie dogmatisch. Allein dafür gebührt ihm Achtung.
Für die Brandstetter-Lesergemeinde ist „Lebenszeichen“ Pflichtlektüre. Dieses sehr persönliche Buch ist auch für manche, die bislang an Brandstetters Literatur vorbeigegangen sind, eine gute Gelegenheit, einen großen Stilisten und klugen Menschenfreund kennen- und schätzen zu lernen.
Alois Brandstetter: „Lebenszeichen“, Residenz Verlag, 254 Seiten, 24 Euro, 5 von 6 Sterne