250 Jahre Luftstein von Mauerkirchen
Mehrere Glücksfälle führten dazu, dass es den 1768 vom Himmel gefallenen Meteoriten noch gibt.
Am 20. November 1768 um 16.16 Uhr hörte man im bayerischen Mauerkirchen "einen starken Plumpser mit einem großen Sausen", wie aus einem zeitgenössischen Protokoll hervorgeht. Anderntags fanden die Bewohner des Dorfes einen Stein, den "sie dann zum Gericht gebracht haben". Für den Obmann-Stellvertreter der "Astronomischen Gemeinschaft Linz", Herbert Raab, war dies der Beginn einer Reihe von Glücksfällen, die uns bis heute ein Fenster überliefert haben, durch das Forscher in die Zeit vor der Planetenbildung zurückschauen können.
Steine, die vom Himmel fielen, waren bis Anfang des 19. Jahrhunderts ein ungeliebtes Rätsel. Nicht einmal den Gedanke an einen außerirdischen Ursprung erlaubten sich die Gelehrten, weshalb viele Himmelssteine (Aerolithen) bis dahin "einfach weggeworfen wurden", wie Raab, langjähriger Leiter der Johannes-Kepler-Sternwarte in Linz, berichtet. Jener aus Mauerkirchen aber wurde aktenkundig – ein höchst seltener Fall. Das zuständige Rentamt in Burgau (das Innviertel war damals bayrisch, kam erst 11 Jahre später zu Österreich) schickte den ursprünglich rund 21 Kilo schweren Brocken nach Straubing, um ihn von "einer Gesellschaft gelehrter Männer von der alten Art bei einem Gläschen Wein" diskutieren zu lassen, wie ein Bericht vermerkte.
Was dabei herauskam, war eine typische Deutung der damaligen Zeit. Der Meteorit habe sich aus Staub "in der Luft zusammengesetzet", bevor er aus einer Höhe von "4000 Schuh" (1200 Meter) zur Erde gefallen sei. Dem stimmten nicht alle "alten Gelehrten" zu. Vielmehr habe "ein heftiger Wirbelwind" den Stein "vermutlich auf einem Berge, wo er locker gelegen, aufgehoben, fortgerollt und so lange in Luft mit sich fortgeführet, bis die Heftigkeit des Windes nachgelassen" hätte. Bis 1803, als ein nicht mehr zu übersehender Meteoritenschauer über der Normandie niederging, verwies die Obrigkeit Himmelssterne am liebsten ins Reich der Märchen oder schrieb sie spuckenden Vulkanen oder Erdbeben zu, ja selbst Blitzeinschlägen in Sandstein. Warum aber sollten die Aerolithe das Firmament erleuchten, eine Rauchspur hinterlassen und "schießen wie Stucken" (= Kanonen, siehe Faksimile)? Erst der deutsche Physiker und Astronom Ernst Florens Friedrich Chladni (1756–1827) stellte die revolutionäre, umstrittene und ketzerische These auf, der Ursprung von Meteoriten sei der Weltraum.
Der Stein kommt heim
Der Mauerkirchner Meteorit kommt 250 Jahre nach seiner Landung auf der Erde seinem Einschlagsort nahe. Der liegt übrigens – aktuellen Rückschlüssen zufolge – auf Burghausner Gemeindegebiet, in der Nähe des Gehöfts "Schieckpointner". In Mauerkirchen wird der Stein, der diesen Namen trägt, am 25. November gezeigt (siehe Kasten)
Dauerhaft zugegen ist der Meteorit im Museum "Reich der Kristalle" der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns in München. Von dem 21-Kilo-Trumm sind nach diversen "Abspaltungen für Naturforscher" nur noch 6,95 Kilogramm übrig. Eine dieser Proben (1,67 Gramm) liegt im Schlossmuseum Linz (siehe Kasten), der Rest ist auf Museen auf der ganzen Welt verteilt. Dass die Hauptmasse überhaupt erhalten blieb, war ein weiterer Glücksfall. "1944 ist die Alte Akademie in München, wo sich der Meteorit damals befand, von einer Fliegerbombe getroffen worden", berichtet Raab. "Die Meteoritensammlung ist zerstört worden, der Mauerkirchner Meteorit aber nicht. Er war in einer falsch beschrifteten Kiste anderswo gelagert und konnte aus den Trümmern geborgen werden."
Von der Zusammensetzung her barg der Mauerkirchner Meteorit keine Überraschung. Er ist ein gewöhnlicher Chondrit der Klasse L6. Zu diesem Gesteinsmeteoritentyp zählt ein Viertel aller "Luftsteine". Entstanden sind sie in der Frühzeit des Sonnensystems vor rund 4,5 Milliarden Jahren. Vor rund 470 Millionen Jahren dürfte der Mutterkörper aller L(low iron)-Chondrite im Kleinplanetengürtel zwischen Mars und Jupiter in einer katastrophalen Kollision mit einem anderen Himmelskörper zerstört worden sein.
Fossile Meteorite
"Einige größere Objekte daraus sind auf der Erde eingeschlagen und haben mindestens acht Einschlagkrater gebildet", sagt Meteoritenforscher Christian Köberl, Generaldirektor des Naturhistorischen Museums (NHM) in Wien. "Viele sogenannte fossile Meteorite, die auch um diese Zeit auf die Erde gefallen sind, fand man in einem Steinbruch in Schweden." Das NHM zeigt als eines von nur zwei Museen weltweit zwei solcher fossiler Meteorite. "Wir haben die größte und älteste Meteoritensammlung der Welt", sagt Köberl. "Mit modernen Forschungsmethoden der Mineralogie, Petrologie und Geo- und Kosmochemie haben Meteorite viel zum Verständnis vor allem der Entstehung des Sonnensystems und der Erde sowie der Entstehung der chemischen Elemente beigetragen." Chondrite zeigen die Zusammensetzung von Asteroiden, bevor deren Gestein ausdifferenzierte, aufgeschmolzen wurde und einen Eisenkern bilden konnte – wie die Erde.
Meteoriten-Schau
250 Jahre nach seiner Landung kommt der Meteorit kurzfristig zurück nach Mauerkirchen. Anlass ist die Enthüllung einer Info-Tafel (So., 25. 11., 13–16 Uhr, Rathaus Mauerkirchen).
Der Meteorit wird zuvor im Schlossmuseum Linz ausgestellt. Kostenlose Kurzführungen: Di., 20. 11., und Do., 22. 11., jeweils um 14 Uhr.
Im Ars Electronica Center finden Deep-Space-Präsentationen unter dem Titel „Meteoriten – Besuch aus dem All“ statt: Di., 20., Do., 22. und Sa., 24. 11., jeweils 15.30 Uhr.
Ebenfalls im Deep Space des AEC hält Herbert Raab einen Vortrag über den „Meteoritenfall von Mauerkirchen“: Do., 22. 11., 19 Uhr. Eintritt: 3 Euro.
Am Sa., 24. 11., findet im Schlossmuseum Linz für Fachleute und interessierte Laien ein Kolloquium zum Meteoriten von Mauerkirchen statt. Info: www.landesmuseum.at
Sonderführung im NHM zum Meteoriten von Mauerkirchen am 19. 11. um 16.30 Uhr