"Die psychischen Belastungen sind schleichend mehr geworden"
LINZ. Der Leiter der Arbeitsmedizin im Chemiepark über die Veränderung im Arbeitsalltag.
Den 21. Dezember 2006 wird Manfred Lindorfer nie vergessen: An diesem Tag kam es im Linzer Chemiepark zu einem folgenschweren Arbeitsunfall, bei dem zwei Arbeiter starben und einer schwer verletzt wurde. "Gott sei Dank sind schwere Arbeitsunfälle in den vergangenen Jahren zur Seltenheit geworden", sagt Lindorfer, der das arbeitsmedizinische Zentrum im Chemiepark seit dessen Ausgliederung vor zwanzig Jahren leitet.
Im März 1999 wurde die ehemalige Betriebsambulanz der Chemie Linz als eines der ersten Unternehmen ausgegliedert und an den Dienstleister IBG (kurz für: Innovatives Betriebliches Gesundheitsmanagement) verkauft. Später hat IBG auch die Betriebsambulanz der Lenzing AG übernommen. Der damalige Aufreger, wonach im Chemiepark keine Notärzte mehr rund um die Uhr zur Verfügung stehen würden, ist längst vergessen.
Im Chemiepark selbst ist in diesen 20 Jahren kaum ein Stein auf dem anderen geblieben: Firmen wurden aufgeteilt, haben neue Eigentümer und Namen bekommen, Geschäftsbereiche wurden verlagert, andere kamen hinzu. Die Zahl der Mitarbeiter hat sich mit rund 4000 nicht verändert – sehr wohl aber die Art der Belastungen, sagt Lindorfer: "Die körperlichen Belastungen sind weniger geworden, die psychischen dafür schleichend mehr."
Für den Mediziner brauche es heute mehr Selbstorganisation, um gesund zu bleiben. "Die Arbeit hört ja nie auf. Theoretisch kann man von überall aus arbeiten. Arbeitnehmer müssen lernen, ihre persönlichen Grenzen zu ziehen. Jeder geht mit einem All-in-Vertrag anders um."
Der Schwerpunkt seines Teams – bestehend aus 15 Mitarbeitern – habe sich deshalb in Richtung Einzelcoachings und Organisationsentwicklung verlagert. "Wir nennen es Mitarbeiterberatung, weil zu einer psychologischen Beratung will keiner gehen." Seiner Schätzung nach kommen 80 Prozent der Patienten, weil ihnen berufliche Themen über den Kopf wachsen.
Zufriedenere Schichtarbeiter
Gesundheitsförderung ist in den Betrieben des Chemieparks ein großes Thema geworden – nicht zuletzt wegen des Fachkräftemangels. Eines der ersten Großprojekte des IBG war vor Jahren die Umstellung des Schichtplans von vier auf fünf Schichtgruppen, zunächst in der Polyfelt (heute Tencate), später bei der Agrolinz (heute Borealis). Dadurch wurden die Ruhephasen für die Schichtarbeiter länger. Die Langzeiteffekte dieser Umstellung seien noch immer spürbar: "Die Mitarbeiterzufriedenheit und die Schlafqualität sind gestiegen. Die Mitarbeiter erklären, dass sie weniger Stress haben, obwohl sich die Arbeit nicht verändert hat", sagt Lindorfer.
In Zeiten zunehmenden Ärztemangels übernimmt Lindorfer mit seinem Team oft auch die Funktion des Hausarztes für die 4000 Mitarbeiter des Chemieparks.
Umkämpfter Modehandel: "Manchmal musst du das Gegenteil tun"
16 Monate vom Auftrag bis zum Geld: Rosenbauer muss schneller werden
Karl Purkarthofer neuer Vorstandschef von Primetals
Rosenbauer im ersten Quartal mit Verlust trotz Umsatzplus
Interessieren Sie sich für diesen Ort?
Fügen Sie Orte zu Ihrer Merkliste hinzu und bleiben Sie auf dem Laufenden.