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Was erwarten wir?

Von Bischof Manfred Scheuer, 17. Dezember 2016, 00:04 Uhr
Was erwarten wir?
Bild: VOLKER WEIHBOLD

Von Bischof Manfred Scheuer.

Ich will dich haben, und zwar sofort." So habe ich es einmal bei einer Werbung gelesen. Gemeint war ein Führerschein. Etwas sofort haben zu müssen ohne Annäherung, ohne Lernen, ohne Warten, ohne Wachsen, ohne Erleiden, das ist durchaus eine Krankheit unserer Zeit. Was hab' ich von dir? Was nützt du mir? Man vernascht ein Stück Torte oder einen Menschen. Man hat zum Fressen gern, dann bleibt nichts mehr übrig. Der Mensch als Produktionsfaktor, als Objekt der Ausbeutung, als Ware, als Gebrauchsgegenstand. Wenn du verbraucht bist, kommst du zum Sondermüll.

Warten braucht Zeit. Zeit brauchen heißt: nichts vorwegnehmen können, alles erwarten müssen. Es braucht die Einübung ins Warten, um leer zu werden von den eigenen Vorgriffen und Übergriffen, damit unsere großen Worte wie "Liebe", "Friede", "Freude", "Glück" nicht durch Ungeduld oder Unverbindlichkeit zur Worthülse erstarren.

Was erwarten wir? Groß war die Enttäuschung in unserem Land im Frühsommer dieses Jahres, als die Fußball-Nationalmannschaft die in sie gesteckten, hohen Erwartungen bei der Europameisterschaft nicht erfüllen konnte. Es ist auch noch nicht sicher, dass unsere SkifahrerInnen in diesem Winter die Nation wieder stolz machen. Kollektive Erwartungshaltungen konzentrieren sich nicht selten auf Aushängeschilder des Sports. Individuelle Erwartungen knüpfen sich an besondere Ereignisse – ein gemeinsamer Konzertabend, ein Geburtstagsfest, eine intime Begegnung – oder an besondere Menschen, an den Partner, die Kinder, die ArbeitskollegInnen. In Erwartungen werden Hoffnungen und Sehnsüchte hineingepackt, durchaus mit dem Risiko der möglichen Enttäuschung. Schlimmstenfalls erwartet man sich nichts, nichts vom Leben, nichts vom anderen. Erwartungslosigkeit im Sinne von Hoffnungslosigkeit kann die Hölle auf Erden sein.

Erwartungen setzen vielfach positive Erfahrungen voraus: Ein Häuslbauer kann sich von Firmen mit gutem Ruf eine ordentliche Abwicklung der Baustelle erwarten. Oder noch existenzieller: Wenn ich in eine soziale Schieflage gerate, bin ich in Österreich in der Lage, von öffentlicher Hand Unterstützung erwarten zu können. Erwartung hat zudem eine religiöse Komponente. Zentral für das Volk Israel ist die Erwartung, dass Gott heilend, befreiend, rettend und segnend in das Leben eingreift. Ja – und mehr noch, dass Gott am Ende der Zeiten sein Reich errichten wird und einen Messias, einen Heilsbringer, senden wird (so beim Propheten Jesaja). ChristInnen glauben, dass sich in Jesus Christus die Sehnsüchte und Hoffnungen der Menschen jetzt schon bündeln und einmal ganz erfüllen werden. Gott hat seine Geschichte noch nicht zu Ende geschrieben. Wir leben ja nicht bereits in einer vollkommen friedlichen und gerechten Welt, auch und gerade nicht im Kleinen. Ist das Reich Gottes, das Jesus angekündigt hat, tatsächlich schon Realität? In Anfängen – ja (vgl. Lk 17,21).

Aber so vieles steht noch aus, das wir von Gott her erhoffen. Gerade der Advent macht uns darauf aufmerksam. Der Advent ist Erwartungszeit: Wir erwarten, dass Gott uns zu Weihnachten in Gestalt eines kleinen Kindes begegnet. Entgegen aller Erwartungen kommt Gott oft kleiner, unscheinbarer und enttäuschender, als wir uns das ausdenken. Auch und gerade als solcher, wenn es nicht dem eigenen Geschmack und der eigenen Sehnsucht entspricht, nimmt er uns unbedingt in Anspruch, ist er packend und faszinierend. "Gott überrascht uns immer. Verschließen wir uns nicht dem Neuen, das er in unser Leben bringen will." (Papst Franziskus)

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