45 Minuten ausgeharrt - Alpinistin (54) überlebte Sturz in enge Gletscherspalte
HALLSTATT. Zu einer dramatischen Rettungsaktion kam es am Samstag am Hohen Dachstein. Eine Bergsteigerin war abgerutscht und komplett bewegungsunfähig in einer vier Meter tiefen Gletscherspalte eingeklemmt.
Das traumhafte Wetter am Samstag wollten zwei befreundete Bergsteiger, eine 54-Jährige aus dem Burgenland und ein 53-Jähriger aus Niederösterreich, für einen Ausflug in die Berge nutzen.
Gestartet wurde die anspruchsvolle Tour, die über mehr als 1500 Höhenmeter ging, zeitig in der Früh. Um 4.30 Uhr wanderten die beiden Alpinisten von der Talstation der Dachstein Hunerkogel Seilbahn in Ramsau los. Über den Anna Klettersteig und den Johann Klettersteig gelangten sie zum Hallstätter Gletscher. Dann ging es über den Schulter Anstieg weiter, gegen 13 Uhr erreichten die Bergsteiger den Gipfel des Hohen Dachsteins auf 2.995 Metern Höhe.
Beim Abstieg kam es zum schweren Unglück. Die beiden hatten sich für den Randkluftsteig entschieden, der über sehr steiles, vergletschertes und teils eisiges und von offenen Spalten durchzogenes Gelände führt. Nachdem der Niederösterreicher über eine offene Spalte im oberen Bereich gesprungen war, war seine Begleiterin an der Reihe. Sie rutschte jedoch knapp neben der Spalte aus und schlitterte etwa 25 Meter über den Gletscher.
Komplett bewegungsunfähig
Dann stürzte sie in eine sehr enge, etwa vier Meter tiefe Gletscherspalte. "Das war zweifelsohne eine lebensbedrohliche Situation", sagt Michael Gruber, Alpinpolizist und Einsatzleiter von der Bergrettung Hallstatt den OÖN im Gespräch. Die Frau wurde zwischen den Eiswänden eingeklemmt, sie war komplett bewegungsunfähig.
"Das drückt natürlich ordentlich auf den Brustkorb, es kommt schnell zu akuter Atemnot", so Gruber. "Außerdem muss man sich vorstellen, in kurzer Hose und kurzem Shirt bei sommerlichen Außentemperaturen plötzlich von Eis umgeben zu sein. Das ist ein Schock für den Körper. Durch die Körpertemperatur schmilzt dann noch langsam das Eis und man rutscht nur noch tiefer in die Spalte hinein", schildert der Einsatzleiter anschaulich die Dramatik der Situation.
Der Unfall wurde von einem weiteren Bergsteiger beobachtet, der gegen 14:25 Uhr einen Notruf absetzte. Zum großen Glück der Frau waren Bergretter aus Hallstatt, unter ihnen auch Gruber, erst wenige Minuten zuvor von einer Übungstour zur Bergstation der Hunerkogel Seilbahn zurückgekehrt. Sie waren rasch mit dem Ski-Doo vor Ort. Weitere Helfer wurden am Tau mit dem Notarzthubschrauber Christophorus 14, der zufällig in der Nähe und ebenfalls rasch zur Stelle war, zur Unfallstelle gebracht.
"Musste mit ganzer Kraft mithelfen"
Schnell hatten die Helfer einen Standplatz im Schnee gefertigt, einen sogenannten "Toten Mann", an dem die Seile für die Bergung befestigt werden konnten. Gruber wurde dann Stück für Stück in die Spalte zur verletzten Burgenländerin abgeseilt. Sie war schräg eingeklemmt, hatte Schüttelfrost und Atemnot. "Die Verletzte war hart im nehmen, sie konnte vorbildlich die Ruhe bewahren", sagt Gruber. "Sie war ansprechbar und musste aus eigener Kraft mithelfen, sich zu befreien." Da ein Flaschenzug nicht ausreichte, um die 54-Jährige aus der engen Spalte zu ziehen, wurde ein weiteres Seil mit einer Handschleife zu Gruber und der Frau hinuntergelassen. "Die Schleife musste sie ergreifen und mithelfen zu ziehen". Letztendlich kam sie frei und die beiden konnten auf das Schneefeld zurückgezogen werden.
"Es war wirklich eine Verkettung glücklicher Umstände, dass die Frau so schnell und auch körperlich fast unversehrt aus der Spalte befreit werden konnte", so Gruber. Sich länger in so einer Lage zu befinden sei absolut lebensbedrohlich. "Eigentlich sind diese 45 Minuten ja schon ein Wahnsinn." Bei schlechteren Wetterbedingungen hätten die Hubschrauber nicht so schnell an der Unfallstelle sein können. "Die gute Kondition der Alpinistin hat auch geholfen".
Gegen 15.10 war die Frau aus der Gletscherspalte befreit. Sie wurde nach der Erstversorgung mit dem Hubschrauber in das Krankenhaus Schladming geflogen. Aufgenommen wurde sie ambulant - neben Prellungen und Schürfwunden blieb sie unversehrt.
Im Einsatz waren sechs Einsatzkräfte der Bergrettung Hallstatt und der Alpinpolizist. Bergretter der Bergrettung Ramsau standen in Bereitschaft. Zwei Notarzthubschrauber wurden zur Rettung benötigt, Christophorus 14 und Christophorus 99.
- Lokalisierung: Der Randkluftsteig am Hohen Dachstein befindet sich in hochalpinem Gelände