"Die Dunkelziffer ist entscheidend"
LINZ. Unter dem Titel "Auf dünnem Eis" diskutierte JKU-Rektor Meinhard Lukas mit seinen Gästen auch über das zu erwartende Ergebnis der Stichproben-Studie in Österreich.
Wie hoch ist die Dunkelziffer bei den Coronavirus-Infektionen? Die Antwort auf diese wichtige Frage liefert, wie berichtet, eine repräsentative Stichproben-Testung mit gut 2000 Personen in Österreich. Das Ergebnis soll morgen, Dienstag, vorliegen.
Am Montag sagte Kanzler Sebastian Kurz (VP) unter Berufung auf Zwischenergebnisse, dass sich die Corona-Erkrankung „im Promillebereich“ abspiele. Davon geht auch Andreas Quatember vom Institut für angewandte Statistik der Johannes-Kepler-Universität aus.
Er war Montagnachmittag einer von drei Gästen von JKU-Rektor Meinhard Lukas. Im virtuellen Live-Gespräch "Corona Update" erklären Wissenschafter Montag bis Freitag das Virus und analysieren die Folgen. Neben Quatember waren auch Niki Popper, Koordinator des interfakultären Zentrums "Computational Complex Systems" der Technischen Universität Wien und Gerald Pruckner vom Institut für Volkswirtschaftslehre an der JKU geladen.
Island habe diese Form von Stichproben-Testung bereits absolviert, sagt Quatember. 0,84 Prozent der Getesteten waren infiziert. Wenn das Ergebnis von Island annähernd auch bei uns zutrifft, müsste man in Österreich hochgerechnet von rund 75.000 Infizierten ausgehen", sagt Quatember. Die Spannweite betrage laut Hochrechnung zwischen 45.000 und 110.000 infizierten Personen.
Vermengung in der Statistik
Auch zur "dürftigen Datenbasis in der Corona-Krise" äußerte sich Quatember. Vor allem die Zahl der Verstorbenen sei eine "Definitionsfrage". "Am oder mit dem Coronavirus verstorbene Personen werden in der Statistik vermengt. Denn wie stellt man zielgenau fest, dass jemand am Coronavirus verstorben ist? Es gibt in unterschiedlichen Ländern ganz unterschiedliche Statistiken", sagt er. Deswegen sei ein Ländervergleich bei den Todeszahlen sehr schwierig.
Von der Stichproben-Studie verspricht sich auch Niki Popper, Koordinator des interfakultären Zentrums "Computational Complex Systems" der Technischen Universität Wien, viel. "Die Dunkelziffer ist entscheidend. Wenn wir die Dunkelziffern bekommen, dann können wir die Dynamik besser einschätzen und können es in die Modelle einpflegen", sagt er.
Popper warnte davor, die positive Tendenz der vergangenen Tage auf die leichte Schulter zu nehmen: "Wir erleben jetzt, dass die Zahlen langsam runtergehen. Aber nur weil die Teilnahme an der Kontaktreduktion so groß war. Wir haben keine Grundimmunisierung. Und damit ist die große Gefahr, dass wir wieder zurück an den Startpunkt gelangen".
Der größte Effekt wäre, wenn die Menschen beginnen, sich nicht mehr an die Kontaktreduktion zu halten: "Dann haben wir gleich am nächsten Wochenende wieder eine Steigerung. Die Zahl der Kontakte wirken sich sehr schnell aus. Im Positiven, als auch im Negativen", sagt Popper.
Die Maßnahmen halte er nicht für übertrieben. "Sie haben gezeigt, dass man diese Krankheit in den Griff bekommen kann, bevor die Intensivbetten ausgehen. Es hat jetzt für diese kurze Zeit, auch wenn es sich länger anfühlt, gut funktioniert. Und darauf kann die Gesellschaft stolz sein".
"Natürlich wird es zu einem Rückstau kommen"
Doch wie groß sind die Kollateralschäden? Vor allem auch für das Gesundheitssystem. Wenn sich alles nur auf das Coronavirus konzentriert, Eingriffe verschoben und Spitalsbetten vorgehalten werden. Gerald Pruckner, von der Abteilung für Gesundheitsökonomie am Institut für Volkswirtschaftslehre der JKU, könne das noch nicht abschätzen. "Aber wir sind mit einem sehr gut ausgestatteten Gesundheitssystem gestartet. Österreich wurde oft vorgeworfen, zu spitalslastig zu sein, zu viele Betten zu haben. Jetzt könne wir froh sein, dass wir noch immer genügend Kapazitäten haben", sagt er.
Es sei dafür auch viel getan worden. Doch die Vorhaltung der Betten sei alternativlos. "Natürlich stimmt es, dass man geplante Eingriffe nicht durchführen kann. Und dass es danach zu einem Rückstau kommen wird. Darum sollten wir jetzt alles tun, um einen Rückfall zu verhindern. Denn dann haben wir relativ schnell wieder genügend Kapazitäten für alle."
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"Die Spannweite betrage laut Hochrechnung zwischen 45.0000 und 110.000 infizierten Personen."
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