Der kleine Felix wächst am Dachstein auf
HALLSTATT. Felix war eine Überraschung. Eine der allerschönsten Sorte. Teresa Kritzinger und Moritz Schilcher hatten nicht mit ihm gerechnet und trotzdem einen Plan. Dass ihr Sohn bei seinen Eltern aufwachsen wird, war selbstverständlich. Und auch wo, war rasch geklärt: in 1884 Metern Seehöhe auf dem Dachsteinplateau. Dort, wo Teresa seit vier Jahren lebt. Zumindest dann, wenn die Türen des Wiesberghauses geöffnet sind. Und das sind sie beinahe durchgehend: von Ende Dezember bis Anfang April und von Mai bis Ende Oktober.
"Ich wusste genau, dass ich unbedingt als Hüttenwirtin weitermachen wollte. Also war auch klar, dass unser Sohn hier oben bei mir aufwachsen wird", sagt die 32-Jährige. Als sich Felix langsam ankündigte, war die Hochsaison am Dachstein gerade zu Ende gegangen. Der Herbst zog ins Land, Kritzinger hatte mehr Zeit, um alles für das neue Familienmitglied vorzubereiten. Kurz vor dem Geburtstermin Ende September vergangenen Jahres stieg sie ins Tal ab und kam sechs Tage später zurück – mit Felix im Gepäck. "Im Oktober war dann nicht mehr so viel los. Moritz, der hauptberuflich im Tal arbeitet, hat sich einen Papamonat genommen, und wir waren vom Personal her gut aufgestellt. Also musste ich nicht arbeiten und konnte mich ganz um unser Baby kümmern", sagt sie.
"Im Tal ist die Mama oft alleine"
Und Felix fehlte es an nichts. Auch, wenn er mehr als 1300 Höhenmeter über dem nächstgelegenen Talort Hallstatt aufwächst. Was Kritzinger nicht als Nach-, sondern als Vorteil sieht. "Im Tal ist es ja oft so, dass die Mama alleine mit dem Baby ist. Der Papa ist in der Arbeit, und die Großeltern haben vielleicht auch nicht jeden Tag Zeit. Hier ist das anders. Wir sind eine große Familie, und es ist immer jemand da", sagt sie.
Denn die Angestellten, die auch Freunde sind, schauen nach Felix, viele Gäste bieten Hilfe an, am Wochenende kommt die Oma, und Mama Teresa ist ohnehin rund um die Uhr für ihren "Bergzwerg" da. Da kann es leicht passieren, dass die Mama kocht und Felix seelenruhig in der Tragetasche auf ihrem Rücken schläft.
Nur einmal in der Woche steigt Kritzinger ins Tal ab. Nicht nur, damit Felix in den Genuss eines "gscheiten Bades" kommt, sondern auch, um sich um andere zu kümmern. Jeweils einen halben Tag arbeitet sie in Bad Ischl und Bad Goisern als Psychotherapeutin. Ein Studium, das sie abgeschlossen hatte, ohne zu wissen, dass sie einmal Hüttenwirtin des Wiesberghauses sein würde. Obwohl der Beruf quasi vor der Haustür lag.
Als Mama Renate, die die Hütte bis zum Sommer 2021 führte, aufhören wollte, sprang Teresa ein. "Moritz und ich haben es uns ein Jahr angeschaut und dann entschieden, weiterzumachen. Es war eine Herzensangelegenheit, und ich habe die Entscheidung nie bereut", sagt sie.
Noch bis Ostern auf dem Berg
Auch für ihren Sohn könnte sich Teresa keinen besseren Platz vorstellen. "Er ist an der frischen Luft, es sind immer liebevolle Menschen da, die sich um ihn kümmern, hier gibt es keine Autos und so viel Platz zum Austoben", sagt sie. Und wenn Felix krank werden würde, steht zumindest im Winter der Skidoo für die schnelle Abfahrt bereit. "Im Sommer müssen wir dann natürlich gleich runtergehen mit ihm", sagt Kritzinger.
Leicht und unkompliziert sei es allerdings nicht immer. "Wenn du 30 Leute am Abend hast, die du verköstigen musst, und gleichzeitig das Baby schreit, wird es anstrengend. Aber im Großen und Ganzen funktioniert es richtig gut."
Genauso gut, wie die heurige Saison ist. Denn trotz akuten Schneemangels im Tal bleiben Tourengeher und Schneeschuhwanderer nicht aus. Vor allem, weil auf dem Plateau weiterhin ausgezeichnete Bedingungen herrschen. "Ich glaub, wir sind hier eines der wenigen Gebiete, wo es überhaupt noch geht", sagt Kritzinger. Bis zum 1. April hat das Wiesberghaus noch geöffnet, dann geht es für Kritzinger zumindest für einen ganzen Monat zurück ins Tal. Auszeit vorm Aufsperren für die Sommersaison.
Im Jahr 2027 feiert eine der komfortabelsten Hütten auf dem Dachstein ihr einhundertjähriges Jubiläum. Bis dorthin möchte Teresa auf jeden Fall noch deren Pächterin bleiben. "Wenn Felix in die Schule kommt, wird die Situation noch einmal eine andere. Aber ich denke, auch dann würden wir eine Lösung finden", sagt sie. Vom Aufhören will die junge Mama jedenfalls nicht sprechen.