Wie ein Bahnhof in Ebensee zum Vogelnest wurde
EBENSEE. An der Haltestelle Landungsplatz sind Kinder die Experten für Kunst und bereichern eine besondere Ausstellung.
Wer in Ebensee auf den Zug wartet, muss sich schwierigen Fragen stellen. Zumindest von Donnerstag bis Montag zwischen 10 und 15 Uhr. "Was brauche ich wirklich?" oder "Was ist genug?" wollen die kindlichen Stimmen aus den Lautsprechern wissen. Ein Getränk im "Gasthaus zum flatternden Aufbruch", das am 22. Juni an der Haltestelle Landungsplatz eröffnete, wird beim Nachdenken nicht helfen.
Denn dort gibt es nur eines: Vögel. Große, kleine, bunte, graue, dicke, dünne, ausgestopfte und solche, die nicht unbedingt gleich als Federvieh zu erkennen sind. Da verleihen FFP2-Masken plötzlich Flügel oder eine leere Flasche wird zum mehr oder weniger eleganten Körper. "Alles kann, nichts muss" ist die Devise. Vogelfrei eben.
So heißt das Kulturhauptstadt-Projekt, das seit mehr als zwei Wochen Hunderte große und kleine Kinder zu Künstlern macht. Die Idee stammt von Gerda Steiner und Jörg Lenzlinger, entsprungen aus der Tradition des Vogelfangs. Konzipiert wurde die interaktive Ausstellung von Julia Stoff und Katharina Lackner. Und zwar explizit für Kinder. "Das sind immerhin die Experten für Fantasie", sagt Lackner, die den kleinen Künstlern zwar zur Seite steht, auf Anleitungen oder Bewertungen aber bewusst verzichtet. "Wir wollen Selbstbestimmung vermitteln, weil es die ohnehin nur noch ganz selten gibt. Die Kinder sollen mit ihrem Werk zufrieden sein. Egal, was am Ende dabei herauskommt", sagt sie.
Aus allem kann ein Vogel werden
Und herauskommen kann bei der großen Auswahl an Materialien wirklich alles. "Wir sagen aber immer, sie sollen sich nehmen, was sie brauchen, und nicht, was sie wollen", sagt Lackner. Aus einem Wattebausch wird ein Spatz, aus einer Plastikflasche ein Flugsaurier. Bis zu eineinhalb Stunden arbeiten die Kinder an einer Figur, die sich dann zu Hunderten anderen ins gemachte Nest setzt. Und zwischen den ganzen Vögeln gibt es auch versteckte Botschaften. "Lasst die Vögel frei fliegen", hat ein kleiner Künstler auf ein Blatt Papier geschrieben, "keine kleinen Käfige" ein anderer.
Das war zwar Zufall, passt aber dennoch irgendwie ins Konzept. Denn "Vogelfrei" ist doppeldeutig zu verstehen. "Uns geht es natürlich auch um die Artenvielfalt. Denn wenn wir als Gesellschaft so weitermachen, wird auch die Erde bald frei von Vögeln sein", sagt Lackner. Wie die Bahnstation bis zum Ende der Installation am 8. September aussehen wird, weiß noch keiner. Platz jedenfalls ist noch genug. "Jene, die zu uns kommen, müssen nicht zwingend basteln. Sie können auch einfach zuschauen. Auch wenn wir die Erfahrung gemacht haben, dass wir Erwachsene manchmal bremsen müssen, damit die Kinder genügend Raum für die Umsetzung ihrer Ideen haben", sagt Lackner.
Am 13. und 14. September besteht die Möglichkeit, sich die gebastelten Vögel abzuholen. Auch jene, die geliehen wurden (wie ein Schwan aus der Kulturhauptstadt Linz 2009) kommen zurück zu den Besitzern. Bis dahin gilt aber Vogelfreiheit.
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