Dreieinhalb Jahre Haft für Ibiza-Detektiv
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SANKT PÖLTEN. Der Drahtzieher des Ibiza-Videos wurde wegen Kokainhandels und falscher Dokumente verurteilt Amnesty International: Grundsatz "in dubio pro reo" wurde "nicht ausreichend berücksichtigt"
Ist der 41-jährige Julian Hessenthaler ein mutiger und selbstloser Detektiv, der mit dem Einfädeln des Ibiza-Videos Korruption aufdecken wollte, oder ist er ein skrupelloser Geschäftemacher, der sein Geld sogar mit Drogenhandel verdient haben soll?
Gestern ist der Angeklagte vom Landesgericht St. Pölten schuldig gesprochen worden, in den Jahren 2017 und 2018 insgesamt 1,25 Kilo Kokain zum Grammpreis von je 40 Euro einem Bekannten verkauft zu haben. Weiters wurde Hessenthaler verurteilt, weil er einen gefälschten slowenischen Personalausweis und Führerschein besessen und 2019 bei einer Polizeikontrolle vorgewiesen haben soll. Das Urteil: dreieinhalb Jahre Gefängnis.
Rechtskräftig ist die Entscheidung des Schöffensenats nicht. Die Verteidigung meldete Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Damit ist klar, dass sich der Oberste Gerichtshof (OGH) mit dem Fall befassen wird.
Amnesty International und die Datenschutzorganisation "epicenter.works" übten heftige Kritik an dem Urteil: Der Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" sei "nicht ausreichend berücksichtigt" worden. "Wir sind gespannt auf die Urteilsbegründung." Beide Organisationen sehen einen "abschreckenden Effekt auf zukünftige Aufdecker", dabei gehe es um "Einschüchterungsversuche".
Kokain war nur "Zufallsfund"
Was das Suchtgift betrifft, sprach Staatsanwalt Bernd Schneider gestern in seinem Schlussplädoyer von einem "Zufallsfund": Das Kokain war in einem Staubsaugerbeutel im Keller der späteren Belastungszeugin entdeckt worden. Die Frau habe schließlich eine "Lebensbeichte" abgelegt und Hessenthaler als einen ihrer Drogenlieferanten genannt. "Seine Vergangenheit hat ihn eingeholt", meinte der Ankläger, der hinzufügte, dass die Anklage "nichts mit dem Ibiza-Video zu tun hat". Die Drogenvorwürfe seien aber "erwiesen".
Es gebe "keinen einzigen Sachbeweis" gegen ihn, konterte der angeklagte Hessenthaler. Und das nach monatelangen intensiven Ermittlungen einer eigenen Sonderkommission samt Telefonüberwachungen und Hausdurchsuchungen. "Das ist mehr als ungewöhnlich." So müsse er sich nun "gegen die einseitig ermittelnde Soko und Staatsanwaltschaft verteidigen", so der Beschuldigte. Die Belastungszeugen, die erwähnte Frau und ihr Freund Slaven K., hätten ihre Version jeweils angepasst, es gebe keine kohärente Geschichte. Der Angeklagte vermutete gar, dass die Belastungszeugin von Ermittlern "hinsichtlich ihrer Aussagen instruiert" worden sei.
"Soko stand Novomatic nahe"
Sein früherer Geschäftspartner habe die Unwahrheit gesagt. Und dann gebe es auch noch Gert Schmidt, den Betreiber der Onlineplattform eu-infothek.com. Dieser habe Slaven K. für angeblich falsche Informationen bezahlt. Schmidt habe für den Glücksspielkonzern Novomatic lobbyiert und "eine Nähe zur Soko". Hessenthaler ortete eine Abhängigkeit der früheren türkis-blauen Bundesregierung vom Novomatic-Konzern, über den im Ibiza-Video gesprochen wird. Weiters hielt der Angeklagte, der bereits seit 16 Monaten in U-Haft sitzt, fest: "All dies hätte kein Mensch geglaubt vor drei Jahren." Sein Verteidiger Wolfgang Auer sieht "sehr wohl" einen Zusammenhang zwischen Ibiza-Video und Anklage. Für Fahndungsmaßnahmen und die Festnahme hätten Vorwürfe – zum Beispiel Verstöße gegen das Suchtmittelgesetz – "gefunden werden müssen", meinte der Anwalt im Schlussplädoyer. "Das politische System in Österreich ist sehr korruptionsanfällig." Es sei darum gegangen, Whistleblower zu verfolgen und "ein Exempel zu statuieren".
"Konstruierte Verteidigungslinie"
"Das Einzige, was in diesem Verfahren konstruiert war, war die Verteidigungslinie des Angeklagten", konterte Staatsanwalt Schneider die Kritik Hessenthalers und seiner Verteidiger. Dies sei alles nur der Versuch, "Hessenthaler als Opfer der Strafverfolgungsbehörden darzustellen". Es gehe um ein "Ablenkungsmanöver". Den früheren Geschäftspartner des 41-Jährigen bezeichnete der Staatsanwalt als "glaubwürdig". Dieser Mann habe zwar zu Protokoll gegeben, dass er von Gert Schmidt für Informationen über Hessenthaler bezahlt worden sei – "aber nicht für falsche Vorwürfe". Die Aussagen der beiden Belastungszeugen zu den Drogenvorwürfen würden "im Grunde übereinstimmen".
Zeugen für Gericht glaubwürdig
Dem schloss sich der Senatsvorsitzende an: Die Zeugen hätten "einen glaubwürdigen Eindruck vermittelt" und ihre Aussagen "nicht abgesprochen". Trotz "zahlreicher Widersprüche" würden sich die Aussagen "überschneiden". Zum Vorwurf der Verteidigung, das Urteil sei durch politische Einflussnahme zustande gekommen, sagte der Richter: "Ich kann Ihnen versichern, das ist nicht der Fall."
Das Ibiza-Video
Er überlegte sich ein Konzept, organisierte eine falsche russische Oligarchennichte als Lockvogel und versteckte die Kameras in der berühmt gewordenen Finca auf Ibiza: der Privatdetektiv Julian Hessenthaler, der damit als „Einfädler“ des Ibiza-Videos gilt.
In die Videofalle tappten im Juli 2017 der damalige FP-Chef Heinz-Christian Strache und der damalige FP-Klubobmann Johann Gudenus, als sie ihre Bereitschaft zur Korruption unfreiwillig zur Schau stellten.
Im Mai 2019 wurde das Video publik. Ihre Rücktritte und das Ende der türkis-blauen Koalition waren die Folge.