Neun Jahre Haft für 35-Jährigen wegen Schlepperei in Salzburg
SALZBURG. Ein aufsehenerregender Fall von mutmaßlicher Schlepperei ist am Dienstag am Landesgericht Salzburg verhandelt worden.
Ein 35-jähriger Rumäne hat laut Anklage mit einem Kleinbus, in dem sich zehn syrische Flüchtlinge befanden, der Polizei im Pinzgau eine wilde Verfolgungsjagd geliefert, bei der er mehrfach ein Polizeiauto rammte. Zwei Beamte gaben Schüsse ab, dabei wurden zwei Syrer verletzt. Der geständige Angeklagte erhielt eine unbedingte Freiheitsstrafe von neun Jahren.
Verfahren gegen Polizisten eingestellt
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Weder Staatsanwalt Florian Weinkamer noch Verteidiger Kurt Jelinek gaben eine Erklärung ab. Das Verfahren gegen die Polizisten war bereits im Vorfeld eingestellt worden. Der Staatsanwalt warf dem Rumänen eine Reihe von Delikten vor: Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung, Verbrechen der vorsätzlichen Gemeingefährdung, Widerstand gegen die Staatsgewalt, schwere Körperverletzung und Sachbeschädigung. Der Rumäne wurde auch wegen dieser Delikte verurteilt.
Laut Anklage wollte der Beschuldigte in der Nacht auf den 11. Dezember 2023 die Flüchtlinge von Slowenien nach Deutschland schleusen. "Die rumänischen Behörden sprechen von einem transnationalen Netzwerk, das wahrscheinlich von der Türkei oder vom Nahen Osten aus organisiert wird", erklärte der Staatsanwalt. Der Angeklagte sei Teil des Netzwerkes gewesen. Wie sein Verhalten gezeigt habe, habe für ihn das Leben der Flüchtlinge keine Rolle gespielt. Weder die eisglatte Straße noch die Schüsse aus den Dienstwaffen der Beamten und die Schreie der Menschen hätten ihn von der Fahrt abbringen können.
Komplize in Untersuchungshaft
Unterstützung soll der rumänische Lenker von drei Komplizen erhalten haben. Zwei Männer sollen als Fahrer eines Vorausfahrzeuges agiert haben, und ein Mann soll der Organisator der Schleusung gewesen sein. Einer der Mittäter sitzt wie der Angeklagte in Salzburg in Untersuchungshaft. Er wurde nun ebenfalls wegen Schlepperei angeklagt und zu dem Prozess gebracht. Doch weil der Verfahrenshelfer nicht auf die gesetzliche Vorbereitungsfrist verzichten wollte, ist das Verfahren ausgeschieden worden.
Der Angeklagte soll die Syrer damals bereits ins angrenzende Bayern geschleust haben, allerdings wurden die bayerischen Beamten bei einer Kontrolle nahe Schneizlreuth auf den weißen Kleinbus der Marke Renault aufmerksam. Der Rumäne drehte um, fuhr zurück nach Österreich und setzte die Fahrt im Pinzgau fort. Weil in der Zwischenzeit die deutschen Beamten die Kollegen in Österreich verständigt hatten, nahm eine Streife im Pinzgau die Verfolgung des Fluchtfahrzeuges auf. Der Anklage zufolge ignorierte der Lenker die Anhaltezeichen der Polizisten und fuhr um 0.30 Uhr bei teils eisiger Straße mit überhöhter Geschwindigkeit auf der B311 in Richtung Saalfelden davon.
30 Kilometer Fluchtfahrt
Die Fluchtfahrt erstreckte sich über 30 Kilometer. Dabei soll der Lenker mit dem Kleinbus zumindest drei Mal das Polizeiauto gerammt haben. Bei einem weiteren mutmaßlichen Rammversuch des Rumänen habe der Polizist auf dem Beifahrersitz des Streifenwagens zwei Mal aus seiner Dienstpistole auf den Kleinbus geschossen. Dadurch wurden auf der Fahrerseite des Kleinbusses zwei Scheiben durchschlagen und ein 19-jähriger Flüchtling durch Splitter an der Hand verletzt. Laut Anklagebehörde schoss der Polizist in Notwehr. Die Schussabgaben seien gemäß Waffengebrauchsgesetz rechtmäßig erfolgt.
Das Schlepperfahrzeug kam von der B311 ab und blieb in einem Schneefeld stecken. Der Lenker flüchtete zu Fuß. Eine Polizistin aus einem anderen Streifenwagen, die mit einem Sturmgewehr bewaffnet war, forderte die Flüchtlinge auf, auszusteigen. Dabei ist die Beamtin den Ermittlungen zufolge gestolpert, wobei sich unabsichtlich ein Schuss aus dem Gewehr löste und den Kleinbus traf. Das Projektil durchschlug eine Scheibe und traf einen 27-jährigen Syrer am Kopf. Er wurde schwer verletzt. Der Lenker des Fluchtfahrzeuges wurde kurze Zeit später festgenommen.
Ermittlungen wegen versuchten Mordes
Gegen die Beamten wurde wegen Verdachts des versuchten Mordes ermittelt. Die Ermittlungen gegen den Polizisten wurden eingestellt. Das Verfahren gegen die Polizistin wurde wegen Vorliegens einer fahrlässigen Körperverletzung mit einer Diversion - und zwar mit Setzung einer Probezeit und Zahlung eines Pauschalkostenbeitrags - ebenfalls beendet.
Für die Schlepperfahrt wurden pro Flüchtling 2.500 Euro verlangt. Der Rumäne soll sich wegen seiner tristen finanziellen Lage einer kriminellen Vereinigung angeschlossen haben, um Flüchtlinge gegen Entgelt vorwiegend nach Deutschland zu bringen. Vor Gericht sagte der verheiratete Vater von mehreren Kindern, "ich bin schuldig. Es tut mir unsagbar leid". Er hätte für die Schlepperfahrt 1.500 Euro erhalten sollen, bekommen habe er aber keinen Cent dafür. Weitere Angaben machte er auf Anraten seines Verteidigers nicht. "Er wollte Geld verdienen, dann ist es aus dem Ruder gelaufen", sagte Rechtsanwalt Jelinek.
"Es hätte 10 Tote geben können"
Den von einem Anwalt eines verletzten Polizisten beantragten Privatbeteiligten-Zuspruch in Höhe von 639 Euro als Teilschmerzensgeld und Verdienstentgang hat der Verteidiger nicht anerkannt. Es "hätten zehn Tote sein können, wenn er den Fahrer abschießt", sagte Jelinek vorwurfsvoll. "Und wenn man auf mich schießt, bleib ich auch nicht stehen."
Der Angeklagte hat laut der Vorsitzenden Richterin 13 gerichtliche Verurteilungen in Rumänien, Deutschland und England. Die Voraussetzungen für eine Strafverschärfung im Rückfall seien erfüllt. Deshalb gelte eine Strafbemessung von einem Jahr bis zu 15 Jahren und nicht von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Die Strafe in dieser Höhe sei aus generalpräventiven Gründen verhängt worden.
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