In Polen mehr Regenfälle als bei "Jahrtausendflut" 1997
WARSCHAU. Im Südwesten Polens ist seit Freitagmorgen mehr Regen niedergegangen als beim sogenannten Jahrtausendhochwasser 1997.
In Jarnoltowek in der schlesischen Region Oppeln waren es innerhalb von 24 Stunden 161,5 Millimeter, wie das Meteorologische Institut (IMGW) mitteilte. Das waren 30 Millimeter mehr als der bisherige Rekordwert, der dort im Jahr des Oderhochwassers 1997 gemessen wurde. Landesweit sei die Alarmstufe an 47 Pegelmessstationen überschritten worden.
Die Stadt Oppeln richtet sich auf eine Flutwelle in der Oder ein. Der Wasserstand werde Sonntagfrüh etwa fünf Meter betragen, teilte die Stadtverwaltung am Samstag mit. Bis Montag könne er auf maximal sechs Meter steigen. Eine Gefahr für die Bevölkerung durch das Hochwasser bestehe derzeit nicht. Nach Angaben eines Sprechers der Stadt liegt der normale Wasserstand der Oder in Oppeln bei etwa vier Metern.
Die Woiwodschaft Oppeln im Südwesten Polens ist bisher am stärksten von den Unwettern getroffen. Am schwierigsten sei die Situation im Bezirk um Prudnik an der Grenze zu Tschechien und im benachbarten Bezirk Nysa, sagte Innenminister Tomasz Siemoniak. "Die kommenden Stunden werden hart. Wir müssen mit vielen neuen Vorfällen und Gefahren rechnen. Ich appelliere noch einmal an die Einwohner und Bürger, auf die Anweisungen der Dienststellen zu hören, insbesondere wenn es um die Evakuierung geht."
"Dramatische Herausforderung"
Regierungschef Donald Tusk appellierte an die Bürger, sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Bei seinem Treffen mit Vertretern der Rettungskräfte in Nysa habe er gehört, dass es manchmal schwer sei, die Bürger zum Verlassen ihrer Häuser zu bringen. "Aber eine Stunde später oder fünf Stunden später ist eine Evakuierung vielleicht nicht mehr möglich", sagte Tusk.
Die Wettervorhersagen für die kommenden Stunden seien nicht optimistisch, so der Regierungschef weiter. Die Nacht werde eine "dramatische Herausforderung". An mehreren Orten sei jetzt schon mehr Regen niedergegangen als bei der sogenannten Jahrtausendflut im Jahr 1997.
Anders als damals sei Polen mittlerweile aber besser vorbereitet, und die Opfer des Hochwassers könnten mit der Hilfe des Staates rechnen. "1997 standen die Menschen hilflos da, mit einem Drama, überfluteten Häusern und Schlamm. Die Menschen dürfen nach solchen dramatischen Ereignissen nicht allein gelassen werden, wir haben diesbezüglich Anweisungen erteilt."
Beim Oderhochwasser 1997, das in Polen als Jahrtausendflut bezeichnet wird, kamen 54 Menschen ums Leben. Die niederschlesische Stadt Breslau wurde zu einem Drittel überflutet, ganz Landstriche in eine Schlammwüste verwandelt. Das Versagen der Behörden löste große Wut in der Bevölkerung aus. Als der damalige Ministerpräsident Wlodzimierz Cimoszewicz sagte, die Hochwassergeschädigten hätten sich eben versichern sollen, erlitt seine sozialdemokratische Regierung bei der Wahl im Herbst eine krachende Niederlage.
Das polnische Fernsehen TVP zeigte Bilder aus dem Dorf Laka Prudnica, wo der Fluss Zloty Potok über die Ufer getreten war und Straßen, Gärten und Häuser überschwemmte. Die örtliche Polizei riet von Reisen in die Region ab. Wegen des hohen Wasserstandes des Flusses Opava an der Grenze zu Tschechien wurden dort drei Grenzübergänge vorübergehend geschlossen.
Der Bürgermeister von Jarnoltowek ordnete die Evakuierung von Bewohnern an, deren Häuser unterhalb eines Staubeckens liegen. Dieses drohte überzulaufen. Die Einwohner von zwei benachbarten Dörfern, die an dem Fluss Zloty Potok liegen, wurden ebenfalls aufgerufen, sich in Sicherheit zu bringen. "Die Situation hat sich sehr zugespitzt, und das innerhalb weniger Minuten. Wir haben wirklich wenig Zeit", sagte Bürgermeister Grzegorz Zawislak dem polnischen Nachrichtenportal Onet.
In Kalkow nahe der Grenze zu Tschechien musste die Feuerwehr eine Frau aus ihrem Auto befreien, wie die Nachrichtenagentur PAP meldete. Sie war auf einer überfluteten Straße unterwegs, als ihr Wagen von den Wassermassen von der Fahrbahn gespült wurde. Auch in Niederschlesien spitzte sich die Lage zu. Besonders betroffen war dort die Region um Klodzko. Die Kleinstadt liegt an der Glatzer Neiße, einem Nebenfluss der Oder.
Artikel aktualisiert um 22.09 Uhr