Die Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah hat begonnen
TEL AVIV. Nach mehr als einem Jahr Krieg zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah-Miliz gilt seit Mittwochfrüh eine Waffenruhe.
Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu richtete eine Warnung an die vom Erzfeind Iran unterstützte Miliz: "Die Dauer der Waffenruhe hängt davon ab, was im Libanon geschieht." Die Feuerpause war von den USA und Frankreich vermittelt worden, um auf Sicht eine "dauerhafte Einstellung der Feindseligkeiten" zu erreichen, wie US-Präsident Joe Biden sagte.
Von der Hisbollah selbst gab es zunächst keine Reaktion auf die Verkündung der Waffenruhe. Kurz nach Inkrafttreten der Feuerpause waren im Raum der libanesischen Hauptstadt Beirut Freudenschüsse zu hören. Die ersten aus dem Süden des Libanons geflohenen Menschen machten sich in Autos auf den Weg zurück in Dörfer, wo keine israelischen Truppen stationiert sind.
Ein israelischer Militärsprecher hatte in arabischer Sprache auf X geschrieben, Bewohner von Gegenden, für die es Aufforderungen zur Evakuierung gegeben habe, dürften vorerst nicht in ihre Dörfer zurückkehren. "Mit dem Inkrafttreten der Waffenruhe und ihren Bestimmungen zufolge werden (die israelischen Streitkräfte) an Positionen im Süden des Libanon stationiert bleiben", schrieb der Sprecher.
Massive israelische Luftangriffe Israels bis kurz vor Kampfpause
Die israelische Luftwaffe flog bis kurz vor dem Inkrafttreten der vereinbarten Kampfpause um 4.00 Uhr Ortszeit (3.00 Uhr MEZ) noch besonders massive Angriffe auf Beirut und die südlichen Vororte der Stadt. Das libanesische Gesundheitsministerium teilte mit, bei den Angriffen in zentralen Vierteln von Beirut seien mindestens zehn Menschen getötet worden.
Überall in der Hauptstadt waren schwere Explosionen zu hören, wie eine Reporterin in der Nacht schilderte. Um 4.00 Uhr seien die Explosionen und das Donnern der Kampfflugzeuge dann verstummt. Auch die Hisbollah hatte zuvor weiter Raketen auf den Norden Israels abgefeuert, wo erneut die Sirenen heulten.
Libanesische Soldaten sollen an Grenze zu Israel stationiert werden
Die Schiiten-Miliz soll sich laut unbestätigten Medienberichten über die Abmachung zunächst hinter den Litani-Fluss etwa 30 Kilometer nördlich der faktischen israelisch-libanesischen Grenze zurückziehen. Danach sollten sich Israels Bodentruppen binnen 60 Tagen aus dem Libanon zurückziehen. Um eine Rückkehr von Hisbollah-Kämpfern zu verhindern, sollen Soldaten der libanesischen Armee, die am Krieg eigentlich nicht beteiligt ist, parallel zum israelischen Abzug im Grenzgebiet stationiert werden, wie ein ranghoher Vertreter der US-Regierung berichtete.
Die USA hätten nicht mit der Hisbollah über die Waffenruhe verhandelt, sondern mit der libanesischen Regierung, hieß es. Diese müsse nun die Verantwortung dafür übernehmen, was in ihrem Land passiere. Ob sie dazu angesichts der Schwäche des libanesischen Staates in der Lage sein wird, ist fraglich.
Libanons geschäftsführender Ministerpräsident Najib Mikati forderte die sofortige Umsetzung der Abmachung. Überwachen soll die Waffenruhe Medien zufolge eine von den USA angeführte Staatengruppe mit Frankreich, dem Libanon, Israel und der UNO-Friedenstruppe UNIFIL, die seit Jahren im Libanon stationiert ist.
Netanyahu warnt Hisbollah - Macron sieht Chance
Die Überwachungskommission soll außerdem sicherstellen, dass sich die Miliz nicht neu bewaffnet. Israel reklamiert für sich das Recht, jederzeit im Libanon militärisch einzugreifen, falls die Hisbollah die Übereinkunft brechen sollte und die libanesische Armee sowie die internationale Staatengruppe untätig bleiben. "Mit dem vollen Einverständnis der USA behalten wir die volle militärische Handlungsfreiheit", sagte Netanyahu. "Wenn die Hisbollah das Abkommen verletzt und versucht, sich zu bewaffnen, werden wir angreifen." Nach Angaben eines hochrangigen US-Regierungsvertreters behält neben Israel auch der Libanon das Recht auf Selbstverteidigung gemäß Völkerrecht.
Der französische Präsident Emmanuel Macron sprach von einer Chance für den Libanon. "Es ist wichtig, dass diese Waffenruhe eingehalten wird und das auf Dauer", sagte Macron in einem auf X veröffentlichten Video. Das Abkommen unterstütze die Souveränität des Landes und läute "einen Neuanfang für den Libanon" ein, sagte auch US-Präsident Biden.
Gazakrieg läuft weiter
Die Hisbollah beschoss Israel bisher nach eigenen Angaben zur Unterstützung der islamistischen Hamas im weiterhin umkämpften Gazastreifen. Die Hamas hatte mit dem Terrorangriff vom 7. Oktober 2023 auf Israel den Gazakrieg ausgelöst, kurz darauf begann der Beschuss aus dem Libanon. Ursprünglich wollte die mit der Hamas verbündete Hisbollah ihre Angriffe auf Israel nach eigenen Angaben erst beenden, wenn eine Waffenruhe in Gaza erreicht ist. Auf die Erfüllung dieser Bedingung verzichtete sie jetzt offenbar.
Ein Ende des Kriegs mit der Hisbollah lasse die Hamas im Gazastreifen isoliert zurück, sagte Netanyahu. "Wir werden den Druck auf die Hamas erhöhen", kündigte er am Abend an. Dies könne den Weg zu einer Vereinbarung über die Freilassung der rund hundert Geiseln ebnen, die noch immer im Gazastreifen vermutet werden - wobei unklar ist, wie viele von ihnen noch am Leben sind.
USA hoffen auch in Gaza auf Waffenruhe
US-Präsident Biden setzt sich auch für eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas ein. "Genauso wie das libanesische Volk eine Zukunft in Sicherheit und Wohlstand verdient, verdienen auch die Menschen in Gaza eine Zukunft in Sicherheit und Wohlstand. Auch sie verdienen ein Ende der Kämpfe", sagte er.
Die USA drängten seit Wochen auf eine Waffenruhe zwischen der Hisbollah und Israel. Auf der libanesischen Seite wurden bei Angriffen der israelischen Armee viele Dörfer und Stadtviertel in Schutt und Asche gelegt. Insgesamt seien etwa 12.000 Ziele im Libanon bombardiert worden, teilte die Armee mit.
Dabei gab es nach libanesischen Angaben - die sich nicht unabhängig überprüfen lassen und keinen Unterschied machen zwischen Zivilisten und Bewaffneten - mehr als 3.700 Tote und etwa 15.500 Verletzte. Schätzungsweise mehr als 800.000 Menschen wurden durch die Kämpfe im Land vertrieben, Hunderttausende wähnten sich selbst im benachbarten Krisenstaat Syrien sicherer und flüchteten dorthin.
In Israel gab es im selben Zeitraum durch Angriffe der Hisbollah 76 Tote, die Mehrheit davon Zivilisten, über 700 Verletzte und große Sachschäden. Israels Raketenabwehr fing aber die meisten Geschosse der Miliz ab. Etwa 60.000 Bewohner Nordisraels wurden evakuiert.
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