Wahlen im Iran: Kaum Hoffnung auf Öffnung
TEHERAN / WIEN. Sechs Kandidaten treten morgen um das Präsidentenamt an – einen gesellschaftlichen Wandel erwarten die Iraner aber nicht.
Am Freitag wählt der Iran einen neuen Präsidenten. Sechs Kandidaten konkurrieren um das Amt. Die Neuwahl war notwendig geworden, weil der bisherige Präsident am 19. Mai bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben kam.
Große Hoffnungen auf eine Öffnung des Landes machen sich die Iraner aber nicht. Selbst bei einem Sieg des moderaten Präsidentschaftskandidaten Masoud Pezeshkian dürfte eine gesellschaftliche Öffnung in dem muslimischen Land laut dem Experten Florian Schwarz schwierig werden. Pezeshkian könnte etwa eine Lockerung der Kopftuchpolitik versuchen, seine Möglichkeiten seien allerdings beschränkt, sagt der Direktor des Instituts für Iranistik an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).
Massive Spannungen
Dabei verwies er auf Hassan Rohani, den letzten Präsidenten aus den Reihen der sogenannten Reformer. Das „Wechselspiel einer eher reformerischen Regierung und der obersten Revolutionsführung“ unter Ayatollah Ali Khamenei habe zu „massiven Spannungen“ geführt, sagt Schwarz. Rohani habe „wirklich versucht“, Reformen in Gang zu bringen. Das führte allerdings laut dem Experten „eher zu einer Verschärfung der Lebensrealität“, weil sich der Justizapparat dagegenstellte.
- ZIB 1: In einer äußerst angespannten Lage wählen die Menschen im Iran am Freitag einen neuen Präsidenten.
Auch die Bevölkerung glaubt nach Ansicht der Expertin Ariane Sadjed kaum mehr an eine Öffnung. „Lange haben die Leute gehofft, dass sich durch Reformen etwas ändern kann“, so die stellvertretende Direktorin des Instituts für Iranistik der ÖAW im Rahmen des Pressegesprächs. In der Berichterstattung erschien es so, als wollten die Menschen bei den landesweiten Protesten nach dem Tod der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini das Regime nicht mehr. Aber eigentlich forderten sie eine „Änderung innerhalb der Strukturen“.
Doch diese blieb aus. „Die Leute sind desillusioniert geworden, sie glauben nicht mehr, dass sich am System etwas ändern kann, so hat die Reformbewegung keine Unterstützung mehr“, sagte Sadjed.
Hardliner im Umfragehoch
Im Rennen um die Präsidentschaft liegen drei Kandidaten laut jüngsten Umfragen vorne. Hardliner Said Jalili führt mit rund 26 Prozent vor Pezeshkian mit rund 20 Prozent und dem amtierenden Parlamentspräsidenten Mohammad Bagher Ghalibaf, ebenfalls ein Konservativer, mit rund 19 Prozent.
Der moderate Kandidat Pezeshkian ließ am vergangenen Wochenende aufhorchen, er hatte bei einer Wahlkampfveranstaltung Kritik an der Kopftuchpolitik des Regimes geübt. „Ich verspreche, dass ich diese Verhaltensweise, die unseren Töchtern und Schwestern auf den Straßen widerfährt, stoppen werde“, so der frühere Gesundheitsminister. Zuletzt sind die sogenannten Sittenwächter wieder verstärkt gegen die Missachtung der Kopftuchpflicht auf den Straßen vorgegangen.
Laut dem iranischen Institut ISPA könnte die Wahlbeteiligung bei etwa 50 Prozent liegen. Erreicht im ersten Wahlgang am morgigen 28. Juni keiner der sechs Kandidaten die absolute Mehrheit, geht es am 5. Juli in die Stichwahl.