Andreas Widhölzl: Der feinfühlige Chefcoach ohne Allüren als Erfolgsfaktor
INNSBRUCK. Cheftrainer Andreas Widhölzl hat großen Anteil am Erfolgslauf der ÖSV-Adler. Der 48-jährige Tiroler drängt sich anders als mancher seiner Vorgänger trotzdem nie in den Vordergrund.
Viel lieber zieht der uneitle Ex-Weltklassespringer im Hintergrund mit ruhiger Hand die Fäden. Seit seinem Amtsantritt 2020 hat der ehemalige Tournee-Sieger mit seinem Betreuerstab ein schlagkräftiges Team aufgebaut, das nicht mehr alleine von Dauerbrenner Stefan Kraft getragen wird.
Unter Widhölzl entwickelte sich etwa Daniel Tschofenig vom Newcomer zum Siegspringer. Jan Hörl reifte zum konstanten Erfolgsgaranten, und mit Maximilian Ortner klopft bereits der nächste Leistungsträger laut an. Trotz der zahlreichen Erfolge unter seiner Ägide bleibt der von allen "Swida" gerufene Coach bescheiden und beschreibt seine Herangehensweise so: "Meine Aufgabe ist es, dass ich sie zusammenhalte, dass alles läuft, dass man feinfühlig ist und zuhört."
Widhölzl schwört auf Miteinander
Ein wichtiger Erfolgsbaustein in seinem System ist der breit aufgestellte Betreuerstab mit einigen Koryphäen an Schlüsselpositionen. "Es ist ein Miteinander von allen Beteiligten. Wir haben ein extrem gutes Team rundherum aufgebaut. Jeder hat seinen Bereich, wo er sich voll hineinhaut", sagte der in Mieming lebende Familienvater. Unterstützt wird er unter anderem von seinen Co-Trainern und der innovativen Materialcrew um Anzugchef Balthasar Schneider.
Dass er mit einem Gesamtsieg eines seiner Athleten der erste wäre, der die Tournee als Aktiver und als Cheftrainer gewinnt, berührt Widhölzl kaum. Außerdem könne er seinen Athleten mit dem Triumph aus dem Jahr 2000 nicht wirklich weiterhelfen. "Das hat am wenigsten Einfluss, es ist schon ewig lange her und es ist eine ganz andere Zeit gewesen, davon kann ich ihnen am wenigsten mitgeben."
Individuelle Freiheiten für Kraft und Co. wirken
Sehr wohl helfen den ÖSV-Springern aber andere Ansätze weiter. So erlaubte er Kraft einst im Sommer eine zweimonatige Weltreise, aus der der Salzburger stärker als je zuvor hervorging. Auch Krafts Teamkollegen erhalten in gewissen Bereichen abseits des geregelten Trainingsbetriebes durchaus individuelle Freiheiten. "Das ist gut für die Motivation, aber es muss klar kommuniziert und stimmig sein", so der ausgebildete Sozialpädagoge.
Auch das Engagement von persönlichen Mentaltrainern, Lifecoaches oder Psychologen überlässt er den Athleten. Nicht zuletzt, um Problemfelder aus dem höchst persönlichen Lebensbereich aufarbeiten zu können. In gewissen Phasen vertraut der Trainer selbst auf den Rat und Input eines Systemcoaches. Manchmal brauche es eine andere Sichtweise, so Widhölzl. Diese erhält er regelmäßig auch von seiner Frau, die selbst im systematischen Coaching tätig ist.
Harte Arbeit, aber auch viel Schmäh
In seiner Trainingsmethodik legt Widhölzl viel Wert auf individuell abgestimmte Belastungssteuerung. Nur mit durchdachten Regenerationsphasen sei langfristiger Erfolg möglich, so Widhölzl. Auch der Spaß kommt nicht zu kurz, in der aktuellen Hochphase rennt der Schmäh naturgemäß besonders gut. "Mit Erfolg ist alles leichter. Es ist schon cool, wenn man von April weg arbeitet und es im Winter so aufgeht und die Ideen so anfangen zu greifen."
Auch Kollegialität wird unter seiner Führung großgeschrieben. Zugute kommt ihm dabei, dass auch seine Athleten ohne Starallüren auskommen. Bei aller Bescheidenheit ist Widhölzl persönlicher Erfolg schon auch wichtig: "Natürlich möchte ich die Tournee gern gewinnen, das ist auch ein Ziel von uns im Betreuerteam, weil es einer der letzten Titel ist, der noch fehlt."