Neues Berufsfeld in der Arbeitsmedizin
Spezialausbildung: Arbeitsmediziner sollen zukünftig durch einen arbeitsmedizinischen Fachdienst unterstützt werden
Die moderne Arbeitswelt befindet sich in einem dynamischen Wandel. Automatisierung und Digitalisierung schreiten rasant voran, Herausforderungen wie Homeoffice, mobiles Arbeiten, virtuelle Teams, Arbeitsverdichtung oder Leistungsdruck treten immer mehr in den Vordergrund.
Das Führen von Teams bei dislozierter Arbeit und zunehmende kulturelle Diversität stellen das Management von Unternehmen vor Herausforderungen, die meist nur mit Unterstützung und Beratung durch Experten für Fragen der Gesundheit und Leistungsfähigkeit bewältigt werden können. Das betriebliche Gesundheitsmanagement bekommt einen immer höheren Stellenwert in der Öffentlichkeit, auch angesichts einer älter werdenden Gesellschaft mit der entsprechenden Herausforderung, die Gesundheit der Menschen zu bewahren.
Ein Beruf im Wandel
Die neuen Herausforderungen sorgen dafür, dass sich der Beruf Arbeitsmediziner/in verändert. Die Österreichische Akademie für Arbeitsmedizin und Prävention (AAMP) hat ein zeitgemäßes Berufsbild formuliert, das den geänderten Rahmenbedingungen Rechnung tragen soll. Die Definition bietet unter anderem Interessierten einen Überblick über die Rollen, Aufgaben und Möglichkeiten dieses Berufs. Arbeitsmedizin beschreibt demnach die arbeitsmedizinische Tätigkeit im Setting Unternehmen, wobei alle Orte der Erbringung der Erwerbsarbeit inkludiert sind. Arbeitsmediziner schaffen damit einen Mehrwert für das Unternehmen, der sich im Erhalt, in der Förderung bzw. Wiederherstellung von Arbeits- und Leistungsfähigkeit sowie in erhöhter Motivation der Beschäftigten zeigt.
Sie bieten ein großes Leistungsspektrum an ganzheitlichen Lösungsansätzen an, die über das Aufzeigen bestehender Mängel bzw. die Durchführung arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen weit hinausreichen. Im Vordergrund steht die umfassende und multidimensionale Begleitung des Unternehmens in gesundheitlichen Belangen. Die ausführliche Definition des Berufsbildes ist auf www.aamp.at zu finden. Es handelt sich dabei aber nicht um einen vollständigen Tätigkeitskatalog, sondern um eine Beschreibung, welche die Kernkompetenzen von Arbeitsmedizinern in kompakter Weise sichtbar machen soll.
Personal dringend benötigt
Der Nutzen der betrieblichen Gesundheitsvorsorge ist zwar unumstritten und wird von allen Playern in Politik und Wirtschaft geschätzt, doch es fehlt an Nachwuchs. Dieser Mangel an Arbeitsmedizinern hat spürbare Konsequenzen: Immer mehr österreichischen Unternehmen ist es unmöglich, die arbeitsmedizinische Betreuung in den Betrieben zu gewährleisten. Nach jüngsten Berechnungen der Österreichischen Akademie für Arbeitsmedizin und Prävention ist für 2028 ein personeller Fehlbestand von rund 880 Arbeitsmedizinern zu erwarten – bei einem Gesamtbedarf von 1500 Personen. Dies bedeutet, dass bei unveränderter Entwicklung in sechs Jahren ganze 60 Prozent des arbeitsmedizinischen Personals fehlen werden.
Unterstützung durch neuen Berufsstand
Am 1. Juli 2022 ist eine umfassende Novelle des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes rückwirkend in Kraft getreten. Kernpunkt der Gesetzesvorlage ist die Einführung des "arbeitsmedizinischen Fachdienstes" (AFa). Der neue Berufsstand soll die Arbeitsmediziner in ihrer täglichen Beratungs-, Betreuungs- und Präventionsarbeit entlasten.
Als AFa dürfen nur Personen mit Ausbildungsabschluss in einem der gehobenen Gesundheitsberufe (Gesundheits- und Krankenpflegedienst, medizinisch-technischer Dienst) beschäftigt werden, die über zumindest zweijährige Berufspraxis verfügen. Zudem müssen sie eine AFa-Zusatzausbildung (Lehrgang an einer Akademie für Arbeitsmedizin) absolviert haben. In arbeitsmedizinischen Zentren können AFa als Fachpersonal eingesetzt werden.
Für Angehörige des arbeitsmedizinischen Fachdienstes sollen außerdem ein Kündigungsschutz und ein Benachteiligungsverbot aufgrund ihrer Tätigkeit verankert werden. Ein AFa-Einsatz soll auch in kleineren Bürobetrieben bis 50 Beschäftigte möglich sein. Präventionszentren der Unfallversicherungsträger sollen ebenfalls den arbeitsmedizinischen Fachdienst zur Kleinbetriebsbetreuung in Bürobetrieben einsetzen können.