Chat zum OÖN-Börsespiel mit Christian Ratz
Christian Ratz von der Raiffeisen-Landesbank stand am Donnerstag im Chat Rede und Antwort zum OÖN-Börsespiel.
Gast4856: Sehr geehrter Herr Ratz, wie stehen Sie (persönlich) zur Anlageform Gold. Es wir immer wieder kolportiert, dass es 'krisensicher' sei. Würden Sie einem privaten Anleger dazu raten in Gold zu investieren. Bzw. sind Sie persönlich in Gold investiert?
ChristianRatz: Meine persönliche Meinung ist, dass sich Gold als Anlageform nicht eignet wegen der Abhängigkeit vom Dollarkurs und der Kursentwicklung des Rohstoffes Gold. Dadurch gibt es zwei Risikofaktoren und keine Ertragskomponente. Einen kleinen Teil seines Vermögens z. B. die jährlichen Renditen in Gold als eiserne Reserve zu legen macht sicher Sinn, auch ich besitze ein paar Goldmünzen, man sollte auch wenn in Gold nur in handelbaren Münzen wie z.B. in Philharmoniker investieren.
Gast4150: In den USA heißt es, schon im ersten Quartal 2014 werden die Leitzinsen steigen, welche Konsequenzen hat das für die Aktienmärkte?
ChristianRatz: Aufgrund der aktuellen Analysten-Einschätzungen wird eine erste Zinserhöhung ab dem 3. Quartal 2015 erwartet. Da dadurch einhergehend eine positive konjunkturelle Entwicklung zu erwarten ist, wird sich das tendentiell positiv auf die Aktienmärkte auswirken.
Gast663: Glauben Sie, dass die Märkte noch weiter nach unten korrigieren?
ChristianRatz: Da wir uns dzt. in einer Konsolidierungsphase befinden, ist kurzfristig mit weiteren Kursrückgängen an den Aktienmärkten zu rechnen. Mittelfristig werden die internationalen Aktienmärkte weiterhin positiv beurteilt.
Gast7217: Die Aktienkurse steigen schon relativ lange, vor allem in den USA, sind die Aktien schon zu teuer?
ChristianRatz: Es ist richtig, dass die amerikanischen Aktien gegenüber z.B. den europäischen Aktien stärker gestiegen sind. Dies ist jedoch wegen des besseren konjunkturellen Umfelds nicht unüblich und weil die wirtschaftliche Entwicklung am Beginn eines konjunkturellen Aufstiegs steht, finden wir die Aktien auch nicht überteuert.
Gast4150: Wenn in den USA tatsächlich die Zinsen steigen, auch die am langen Ende, dann müssen sie ja auch in Europa steigen?
ChristianRatz: Grundsätzlich haben sich die europäischen Zinsmärkte am langen Ende von den amerikanischen Zinsen historisch nie wirklich abkoppeln können. Somit liegt die Vermutung nahe, dass falls die amerikanischen langlaufenden Zinsen ansteigen, dies auch für die europäischen gelten könnte. Als Gegengewicht sollte man aber momentan die angekündigte Möglichkeit der EZB nicht außer Acht lassen, dass sie unter bestimmten Umständen auch Staatsanleihen in Europa aufkaufen. Und dieser Umstand wäre dann ein Gegengewicht zu den steigenden amerikanischen Zinsen.
Gast2000: Lieber Herr Ratz, ist bei uns eine Zinswende in Sichtweite?
ChristianRatz: Derzeit nicht, da die EZB bei ihrer Niedrigzinspolitik bleiben wird. Indiz dafür sind z.B. volle Tenderzuteilung für die Banken bis Ende 2016, Auflage eines vierjährigen Langfristtenders, etc. Daher werden sich am Geld- und Kapitalmarkt die Zinsen im nächsten Jahr kaum bewegen.
Gast130: Herr Ratz, heute wurden ja die Zahlen der FACC AG veröffentlich und die Aktie ist daraufhin um derzeit 11% nach unten gerasselt. Wäre es nicht fatal jetzt zu verkaufen?
ChristianRatz: Ein Verkauf auf den aktuellen Niveaus sehen wir nicht sinnvoll, da wir das Unternehmen weiterhin positiv bewerten und es als mittelfristiges Investment sehen.
Gast663: Sehen Sie für den Börsespiel-Zeitraum für amerikanische oder für europäische Aktien mehr Potenzial?
ChristianRatz: Nachdem es sich beim Börsenspiel um einen sehr kurzen Investitionszeitraum handelt, ist es schwierig, eine klare Tendenz abzugeben. Tendentiell werden europäische Aktien bevorzugt, da sie gegenüber den amerikanischen dementsprechend Aufholpotential haben.
Gast3324: 8.Gibt es Alternativen zum Sparbuch, die ähnlich sicher sind, aber mehr Zinsen bringen?
ChristianRatz: Wohnbaubankanleihen bringen zwar ähnlich niedrige Zinsen, sind aber Kest-befreit.
Anlegerin: Gibt es bestimmte Branchen, die jetzt interessant sind?
ChristianRatz: In der aktuellen Marktphase favorisieren wir defensive Branchen, das sind Unternehmen aus dem Bereich Lebensmittel oder Gesundheit.
Anlegerin: Wie stehen Sie zum Thema Zertifikate?
ChristianRatz: Zertifikate sind innovative Produkte, die in der aktuellen Marktlage interessante Veranlagungsformen darstellen. Es gibt Varianten, die speziell in seitwärts gerichteten Märkten sehr gute Ertragschancen bieten.
Gast7217: 7.Es heißt, dass bei einigeUnternehmensanleihen die Rendite niedriger ist als die Dividenden-Rendite beim selben Unternehmen. Stimmt das? Soll man Unternehmensanleihen dann eher nicht kaufen?
ChristianRatz: Grundsätzlich handelt es sich hier um zwei verschiedene Wertpapiergattungen. Aktie ist gleich Anteil am Unternehmen und dessen Erfolg. Anleihe ist eine andere Art von Kredit, nämlich die Aufnahme von Kapital am Kapitalmarkt und dadurch zinsgetrieben; Bei Unternehmensanleihen kommt zum Zins auch noch ein Aufschlag für die Bonität dazu. Bei der derzeit niedrigen Zinslandschaft kann es daher schon vorkommen, dass die Dividendenrendite höher ist, als die Zinsen bei der Anleihe. Eine Kaufempfehlung für das ein oder andere Produkt kann man daher nicht geben, da es sich um zwei komplett unterschiedliche Assetklassen handelt und es daher eine Grundsatzentscheidung eines jeden Kunden ist.
Gast2999: Können Sie mir erklären, warum die Aktie des Flughafen Wien diese Woche so gestiegen ist?
ChristianRatz: Hier hat es in den vergangenen Tagen ein Angebot eines internationalen Fonds gegeben, der einen Teil der Aktien der Flughafen kaufen will.
Anlegerin: Ist jetzt schon wieder die Zeit gekommen, um in den Emerging Markets zu investieren? Oder soll man eher noch etwas zuwarten?
ChristianRatz: Investitionen in Emerging Markets sind aktuell durchaus sinnvoll. Aufgrund des hohen Einzeltitelrisikos empfehlen wir diese Regionen mit ausgewählten Wertpapierfonds abzudecken.
Gast7217: Warum kommt die Wiener Börse nicht vom Fleck?
ChristianRatz: Die Wiener Börse hat aufgrund der Vernetzung in Richtung Osteuropa der stark gewichteten heimischen Banken zuletzt stärkere Kursverluste hinnehmen müssen und das zarte Pflänzchen Konjunktur nicht wachsen will.
Gast2000: Und welche Konsequenzen hätte ein Zinsanstieg in den USA und dann auch in Europa auf die Kurse von Anleihen?
ChristianRatz: Tendenziell steigen im Gefolge von Zinserhöhungen in den USA auch die Anleihenzinsen in Europa und die Kurse sinken somit. In der aktuellen Niedrigzinsphase in Europa und den EZB-Maßnahmen muss diese historische Korrelation aber nicht weiterhin bestehen.
Gast4150: Rohstoff-Investments waren einmal ziemlich gefragt. Gilt das jetzt auch noch?
ChristianRatz: Rohstoffinvestments sehen wir dzt. als interessante Depotbeimischung. Im Vergleich zum Gesamtdepotvolumen sollte die Investitionssumme in Rohstoffe allerdings einen kleinen Anteil ausmachen.
Gast2999: Gibt es eigentlich auch bei Aktien krisensichere Branchen?
ChristianRatz: Hängt grundsätzlich von der Krise ab, wir würden jedoch aber defensive Werte wie z.B. Mc Donald's, Unilever oder Nestle als relativ krisensichere Unternehmen bezeichnen.
MaxHermann: Welche österreichischen Aktien werden zur Zeit als interessant gesehen?
ChristianRatz: Unter mittel- bis langfristigem Anlagehorizont werden auch am heimischen Markt zur Zeit eher defensive Branchen bevorzugt. Zusätzlich sehen wir auch Potenzial bei dividenden-starken Unternehmen, wie etwa die österreichische Post oder die OMV.
Anlegerin: Wie sieht - aus Ihrer Sicht - aktuell ein gut durchdachtes Portfolio für einen leicht risikobewussten Anleger aus?
ChristianRatz: Es ist immer günstig, ein gut diversifiziertes Portfolio zu haben. Für einen leicht risikobewussten Anleger ist es sinnvoll, neben Anleihen auch einen Aktienanteil in der Höhe von bis zu ca. 30 Prozent zu haben.
Gast5544: Wie kann man sinnvoll in Rohstoffe investieren? Ich kann mir ja nicht ein paar Tonnen Kupfer kaufen?
ChristianRatz: Mit Zertifikaten oder ausgewählten Rohstofffonds.
Börsespiel: Wie lange rechnen Sie noch mit so niedrigen Zinsen?
ChristianRatz: In Europa aufgrund der EZB-Maßnahmen und des Konjunkturumfeldes bis mind. Mitte 2016.
MaxHermann: Gibt es für eine Dividende eine Mindesthöhe? Oder kann es auch mal ein Jahr geben, wo keine Dividende bezahlt wird?
ChristianRatz: Es gibt keine Mindesthöhe bei der Dividende und es kann auch Jahre geben, in denen das Unternehmen keine Dividende ausschüttet.
Anlegerin: Wäre es angesichts der schon so lange dauernden Konjunkturflaute nicht angebrachter, strukturelle Maßnahmen durchzusetzen? Die große Geldschwemme scheint ja nicht den wirklichen Erfolg zu bringen?
ChristianRatz: In ihrer Kernaussage gebe ich ihnen grundsätzlich Recht, vor allem sollten die übertriebenen regulatorischen Maßnahmen reduziert bzw. der Einsatzzeitpunkt verschoben werden, denn dies würde zu einer Lösung der Kreditklemme mehr beitragen als extrem niedrige Zinsen.
Gast5544: Bei uns ist die Inflation deutlich höher als etwa in Deutschland. Warum?
ChristianRatz: Diese Frage in aller Kürze zu beantworten ist relativ schwierig, es kann aber gesagt werden, dass vor allem höhere Mieten und Gebühren bzw. wirken die Steuererhöhungen im März wie Tabak, Nova, etc. noch nach.
MaxHermann: Glauben Sie, dass der Ölpreis noch weiter fällt?
ChristianRatz: Grundsätzlich sind wir der Meinung, dass der Ölpreis nachhaltig nicht weiter fallen wird. Ein weiter fallender Ölpreis würde nämlich die Erdöl fördernden Länder unter Druck setzen.
Gast7217: Was halten Sie vom Gold als Anlage-Instrument?
Online-Redaktion: Herzlichen Dank für die vielen interessanten Fragen. Auch danken wir Christian Ratz, dass er sich heute Zeit genommen hat, diese zu befragen. Wir wünschen noch einen schönen Tag! Die Online-Redaktion