Das Leben ist ein Holzschnitt
Auguste Kronheims Werk als sehenswerte Retrospektive bis 4. März im Linzer Nordico.
"Das Wetter ist wieder miserablich. Das heißt: es ist neblig, man sieht nichts und hört das ganze Dorf."
So beginnt die Erzählung von Auguste Kronheim-Aigner, die am 15. Oktober 1966 in den OÖNachrichten unter dem Titel "Irische Teestunde" erscheint. Am Ende des Artikels ist ein Holzschnitt zu sehen – Männer in einem irischen Pub, die ob des miserablichen Wetters die Zeit totschlagen.
29 Jahre ist Auguste Kronheim zu diesem Zeitpunkt alt und die irische Zwerginsel Achill Island hat ihr Annemarie Böll, die Frau des maßgeblichen Schriftstellers, vermittelt. Ihre ersten künstlerischen Erfahrungen hat die in den Niederlanden geborene und in Linz und im Mühlviertel aufgewachsene Kronheim da schon gemacht. Nach der Studienzeit, die sie gemeinsam mit Waltraud Lehner – sie wird später als Valie Export zur Stilikone der Performancekunst – in der Linzer Kunstgewerbeschule absolviert.
"Warum erst jetzt?"
Kronheims Kunst ist die des Holzschnitts. Ihre Motive sind das harte, karge oft unbarmherzige Leben, das sie im Mühlviertel, in Irland oder später in Nepal erlebt hat. Ihre Stilmittel sind Provokation, Brüskierung und Überzeichnung. Als sie als alleinerziehende Mutter mit drei Kindern – zwei davon aus ihrer Ehe mit Fritz Aigner, dem Rembrandt von Linz – in Irland lebt, hat sie immerhin schon in der Münchner Galerie von Wolfgang Gurlitt ausgestellt (1964).
53 Jahre später gesellt sich zu den zwischenzeitlich vielen weiteren Ausstellungen eine Retrospektive im Linzer Nordico dazu. Gestern wurde "Begleiterscheinungen" eröffnet. Als Brigitte Reutner, die Kuratorin, vor gut einem Jahr auf die längst in Wien sesshaft gewordene Kronheim mit der Idee einer Ausstellung zukommt, stellt diese eine smarte Gegenfrage: "Warum erst jetzt?"
Welt und Hausmastastrand
Die gemeinsame Zeit war dann doch sehr gedeihlich und Reutner hat eine ganz wunderbare, detailverliebte Schau auf das Lebenswerk der Künstlerin zusammengestellt. Gezeigt wird die gesamte Schaffensperiode der mittlerweile 80-jährigen, polyglotten Frau, die als Alleinerzieherin die Welt bereist hat – in einer Zeit, da man im Allgemeinen gerade den Hausmastastrand an der oberen Adria entdeckt hat.
200 Holzschnitte und 30 Zeichnungen geben in der Rückschau ein Zeugnis über Leben und Erlebtes der Künstlerin, mit Schwerpunkt auf ihre 20 Linzer Jahre. Ein Glücksfall für die Ausstellung ist, dass der erste Nordico-Direktor, Georg Wacha, viele Werke der Künstlerin angekauft hat.
Mit dieser Schau hat das Linzer Nordico erneut seine Kernkompetenz im Bereich der Linzer Künstler untermauert. Ein Besuch ist lohnenswert – nicht nur bei miserablichem Wetter.
Ausstellung: "Begleiterscheinungen", Auguste Kronheim, bis 4. März 2018. Öffnungszeiten: Di-So10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr.
Auguste Kronheim (1984)