Eine Großtat auf der Suche nach etwas Größerem
Paul Hindemiths Oper "Die Harmonie der Welt" im Musiktheater gerät 60 Jahre nach ihrer Uraufführung zum Triumph.
Es war am Samstag eine Großtat, ein künstlerischer Gewaltakt, die vorletzte Oper von Paul Hindemith "Die Harmonie der Welt" im Musiktheater wiederaufzuführen – 60 Jahre nach deren Uraufführung und 50 Jahre nach der Linzer Erstaufführung. Heute wie damals spaltete diese Oper das Publikum.
Die Vielfalt der thematischen Bezüge – Politik, Religion, Hexenprozess, Mutter-Sohn-Beziehung, Macht, aber auch Zuneigung und Liebe – macht aus den Personen mehr Ideenträger als psychologisch plausibel gezeichnete Charaktere. Gesteigert wird dies noch durch die Überlagerung simultan ablaufender Handlungen – so wird im V. Akt das Sterbelager Keplers in die Regensburger Fürstenversammlung projiziert und so die Visionen eines großen Denkers zur politischen Wirklichkeit.
Schneiders subtile Inszenierung
Das zeigt die Inszenierung, die Hausherr Hermann Schneider konsequent umgesetzt und mit Andeutungen, Beziehungen des Stoffes zur Gegenwart, subtil markiert hat. So gelingt ein stringenter Ablauf eines nur schwer auf die Bühne zu bringenden Werks, der viele Schichten offenlegt und speziell im zweiten Teil zu einer großen Intensität führt.
Dazu das beeindruckende Bühnenbild von Dieter Richter, der ein Observatorium auf die Bühne stellt, das im Inneren die "geschützte Werkstätte" eines Wissenschaftlers, die Harmonie schlechthin, darstellt und außen die unharmonische Realität zeigt.
Blendendes Bruckner Orchester
Gleichzeitig bildet die Kuppel das Sternenzelt, in das Kepler seine Vision von Harmonie und damit von Frieden reflektiert. Das macht die Oper aktuell, denn zwölf Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg mag die Sehnsucht nach Harmonie, die Suche nach etwas Größerem, das den Unbill der Welt hinter sich lässt, mehr als legitimer Wunsch gewesen sein. Musikalisch lag der Abend bei Gerrit Prießnitz, der Hindemiths Partitur faszinierend analytisch offenlegt und mit dem klanglich und interpretatorisch bestens disponierten Bruckner Orchester perfekt aufbereitet.
Auch gesanglich stimmte an diesem Abend alles – vom bestens studierten Chor und Extrachor des Landestheaters (Georg Leopold und Martin Zeller) bis hin zu den ideal besetzten Solistenrollen. Allen voran Seho Chang, der die Rolle des Kepler nicht nur sehr textdeutlich und somit sinnverständlich herübergebracht hat, sondern auch aus der vielfältig konturierten Partie musikalisch Großartiges gestaltete. Nicht minder präsent Jacques le Roux als machtgeiler Wallenstein, den Hindemith stimmlich an die Grenzen des Machbaren gehen lässt. Sven Hjörleifsson gestaltete die Rolle des Ulrich zum musikalischen Ereignis und zeigte perfekt die Verbitterung des kriegsgeschädigten Individuums.
Dominik Nekel ist darstellerisch der ideale Herrscher, kommt mit den Extremen seiner Partie nicht ganz so plausibel zu Rande. Vaida Raginskyte begeisterte als stimmgewaltige und schauspielerisch exzellente Katharina, und Sandra Trattnigg überzeugte als zwischen den Welten hin und her gerissene Ehefrau Keplers.
Auch wenn gar nicht so wenige nach dem ersten Teil das Handtuch warfen, gab es volle Zustimmung für die Produktion – am meisten und ganz zu Recht für Orchester und Gerrit Prießnitz. Ein Opernabend, den man sich keinesfalls entgehen lassen sollte.
Musiktheater: Premiere der vor 60 Jahren uraufgeführten Oper "Die Harmonie der Welt" von Paul Hindemith, 8.4.
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