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Mit Sportauto DDR-Grenzer überlistet

Von Otmar Lahodynsky, 09. November 2019, 00:04 Uhr
Mit Sportauto DDR-Grenzer überlistet
Heinz Meixner nach der Flucht mit dem Mietwagen, mit ihm Freundin Margit und deren Mutter. Bild: OÖN-Archiv

5000 Menschen schafften es trotz Mauer 1963 in den Westen. Ein Linzer vollführte ein wahres Husarenstück.

Über das Kanalsystem, durch selbst gegrabene Tunnel, mit Drachenfliegern oder Paddelbooten, mit dem Auto oder Caterpillar: Unzählige Fluchtversuche von Ost- nach Westberlin passierten zwischen 1961 und 1989. Mehr als 5000 Personen schafften die lebensgefährliche Passage über die Berliner Mauer. Für 163 DDR-Bürger endete sie tödlich. Dem Linzer Heinz Meixner gelang 1963 das wahrscheinlich waghalsigste Husarenstück.

Der in Westberlin arbeitende Oberösterreicher fand in einem Ostberliner Tanzcafé die Liebe seines Lebens, die Ostberlinerin Margit Thurau. Gemeinsam planten sie schon ihre Hochzeit und das Leben in Linz. Doch der kommunistisch regierte Staat ließ seine Bürger im Regelfall nicht in den Westen ziehen. Als ihr Ausreisegesuch von DDR-Behörden abgelehnt wurde, gab der 20-jährige Elektrotechniker nicht auf. Um seine Liebe zu retten, wagte er einen der spektakulärsten Fluchtversuche über die Todesgrenze: Am 5. Mai 1963 raste er in einem gemieteten Sportwagen mit seiner Ostberliner Braut und seiner Schwiegermutter an der am strengsten bewachten Stelle in den Westen: direkt unter dem Schlagbaum am Grenzübergang Checkpoint Charlie. Meixner hatte die riskante Flucht genau geplant. Als Österreicher konnte er zwischen den durch die Mauer getrennten Stadtteilen beliebig oft hin- und herfahren. "Zuerst fuhr ich mit einem Motorroller nahe am Grenzbalken vorbei und merkte mir die Höhe an der Lenkstange", erzählte er später einem Westberliner Radioreporter. Er maß daheim nach und kam auf exakt 97 Zentimeter.

Mit Sportauto DDR-Grenzer überlistet
Checkpoint Charlie: Heute für Touristen Bild: APA/EPA

Windschutzscheibe abgebaut

Danach mietete er in Westberlin einen britischen Sportwagen vom Typ Austin Healey Sprite. Mit abgeschraubter Windschutzscheibe und mit wenig Luft in den Reifen passte der Wagen mit nur einigen Zentimetern Abstand genau unter den Schlagbaum. An einem kühlen Sonntagmorgen versteckte er seine Verlobte auf der Rückbank unter der Abdeckplane, die Schwiegermutter zwängte sich in den Kofferraum. Meixner verlegte "als eine Art Kugelfang", wie er später erzählte, im Kofferraum eine Reihe aus Ziegelsteinen. Dann rollte er langsam zum Grenzübergang am Checkpoint Charlie.

Der erste DDR-Grenzbeamte fragte ihn verwundert, warum er trotz kühlen Wetters ohne Verdeck fahre. "Ich bin Sportsmann, da kann man schon offen fahren", antwortete er und wurde zur genaueren Kontrolle zur Zollbaracke weitergewunken. Doch Meixner hielt dort nicht an und fuhr langsam, mit etwa 20 km/h weiter zur mit Betonhürden begrenzten Slalomstrecke vor dem Schlagbaum an der Zonengrenze. "Bis dahin war ich ein Tourist, der halt nicht wusste, dass man noch einmal anhalten muss", berichtete Meixner später.

Mit Sportauto DDR-Grenzer überlistet
OÖNachrichten-Bericht aus dem Jahr 1963 Bild: OÖN-Archiv

"Erst als ich Pfiffe des Grenzsoldaten an der Slalomstrecke hörte, stieg ich aufs Gas, habe meinen Kopf eingezogen und bin unter dem Grenzbalken durchgerast." Die verdutzten Wachsoldaten kamen nicht mehr dazu, einen Schuss abzufeuern. "Ich dachte, die Soldaten brauchen drei Sekunden, bis sie auf uns feuern können. Da sollte ich schon in Westberlin sein", berichtete er später. Und er war wirklich schnell unterwegs. Seine Bremsspur auf der Seite des US-Sektors soll mehr als 25 Meter lang gewesen sein.

Umzug nach Linz, tragischer Tod

Meixners Fluchtweg wurde auf DDR-Seite sofort verbarrikadiert. Kurz darauf wurden alle Grenzbalken der DDR mit vertikalen Stahlverstrebungen ausgestattet. Der waghalsige Sportwagenlenker wurde zum Medienstar. "Jetzt können wir endlich heiraten", gab er lächelnd bekannt. Der Oberösterreicher ließ sich später in Linz nieder, als Angestellter der Stickstoffwerke (heute: Chemie Linz AG), wo auch mein Vater arbeitete.

Von ihm erfuhr ich Anfang der Siebziger Jahre auch, dass Meixner bei einem tragischen Haushaltsunfall ums Leben gekommen ist. Gebeugt über ein mit Wasser gefülltes Waschbecken fiel ihm sein Elektrorasierer aus der Hand. Instinktiv griff er danach. Tragische Ironie: Der so wagemutige Elektrotechniker kam durch einen simplen Stromschlag ums Leben.

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1  Kommentar
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pepone (60.622 Kommentare)
am 12.11.2019 13:52

geile Geschichte . !
ich wäre mit meinem damaligen Cabrio Triumph Spitfire auch durch den Balken ...oder auch mit dem MGA ..😉😉

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