Kurioses für Haustiere aus China
Der Trend weg vom Kind und hin zu Katze und Hund hat enormes Geschäftspotenzial – und das nicht nur im Reich der Mitte.
Der kleine Pekinese Baobao weiß vermutlich schon, was jetzt gleich kommt. Der Hund ist nicht zum ersten Mal in der Tierarztpraxis für chinesische Medizin von Dr. Hu Yusheng im Norden der chinesischen Hauptstadt Peking.
Ganz behutsam setzt Doktor Hu dem 13 Jahre alten Vierbeiner ein paar Akupunkturnadeln am Rücken. Etwa eine halbe Stunde muss der Kleine mit seiner lampenschirmähnlichen Halskrause und den Nadeln ausharren, mit denen sein Frauchen Baobaos langwierigen Husten behandeln lassen will.
Ein wichtiger Teil von traditioneller chinesischer Medizin (TCM) ist, den Körper in seiner Gesamtheit zu betrachten. "Ich behandle nicht speziell die Krankheit, sondern Baobaos Qi und Blutstrom", erklärt der Arzt.
An Tieren wendet er hauptsächlich Akupunktur und Moxa-Therapie, also die Erwärmung bestimmter Körperstellen, an.
TCM für Tiere
Seine Hauptklienten sind Katzen, gefolgt von Hunden. Laut Dr. Hu wenden Chinesen schon lange TCM an Tieren an – früher jedoch eher an Nutztieren in der Landwirtschaft, die behandelt werden mussten, da sonst Arbeitskraft gefehlt hätte. Doch statt Arbeitskraft scheinen Haustiere in China mittlerweile so etwas wie ein Kinderersatz zu werden. In den chinesischen Städten leben laut Schätzungen ungefähr 116 Millionen Katzen und Hunde. Und denen soll es gut gehen.
In China verdeutlichen sich seit Jahren zwei gegenläufige Trends: In den teureren Städten können sich trotz gestiegener Lebensstandards immer weniger Paare mehr als ein Kind leisten.
Die Geburtenrate sank bisher zusehends, obwohl die Kommunistische Partei 2015 die jahrzehntelange Ein-Kind-Politik abgeschafft hatte. Derzeit liegt sie bei ungefähr einem Kind je Frau.
Das chinesische Yuwa-Institut für Bevölkerungsforschung ermittelte in diesem Jahr, dass die Kosten, ein Kind aufzuziehen, in China weltweit mit am höchsten sind. Im Schnitt kostete es demnach 538.000 Yuan (derzeit etwa 68.400 Euro), um ein Kind bis zum 18. Lebensjahr zu erziehen. Dies sei das 6,3-Fache des chinesischen BIPs pro Kopf.
Emotionaler Trost
Dafür haben immer mehr Menschen in China Haustiere. "Menschen brauchen emotionalen Trost, deshalb entscheiden sich viele, ein Haustier zu halten, egal ob sie Kinder haben oder nicht", sagt Dr. Hu. In einem Land mit rund 1,4 Milliarden Einwohnern birgt ein solcher Trend enormes Geschäftspotenzial.
In Zukunft dürfte das Geschäft mit Haustieren weiter vielversprechend bleiben: Im Juli kam eine Analyse der US-Investmentbank Goldman Sachs zu dem Schluss, dass der Markt für Haustierfuttermittel in China bis zum Ende des Jahrzehnts umgerechnet 63 Milliarden Yuan (derzeit etwa 8 Milliarden Euro) groß sein könnte. Viel brisanter: Aus den Daten errechneten die Analysten, dass in Chinas Städten bis 2030 mehr Haustiere als Kinder unter vier Jahren leben könnten – und das fast im Verhältnis zwei zu eins. Vor allem die junge Generation werde Haustiere halten, hieß es.
Hundehochzeiten
Im schicken Zentrum von Peking, wo junge Leute gerne zwischen den teuren Modegeschäften entlangflanieren, verkauft Li Te speziell angefertigte Kuchen für Vierbeiner.
Anlässe sind zum Beispiel Tiergeburtstag oder Hundehochzeiten. Auch diese werden in China laut etlichen Medienberichten immer beliebter.
Die Kunden können per Handy ein Foto ihres Schützlings an Lis Geschäft schicken und dort wird das Tier dann auf die Torte modelliert. Bei frischen Zutaten wie Fisch und Fleisch ist die Wahrscheinlichkeit wohl gering, dass die Vierbeiner Herrchen oder Frauchen ein Stück abtreten müssen.
"Die Kunden halten vor allem mehr und mehr Katzen. Das ist wirklich auffällig", bemerkt Li.
Viele Bestellungen gehen ihr zufolge kurioserweise auch zum Internationalen Kindertag am 1. Juni ein.