Ein Schneeloch in den Alpen
VORARLBERG. Mit jährlich über 11 Meter Schnee ist Warth das „Schneeloch“ der Alpen und Heimat eines fast vergessenen Ski-Pioniers.
Als Johann Müller, der Pfarrer von Warth, 1895 zum ersten Mal ein Bild von einem Paar Skier aus Schweden gesehen hatte, notierte er: „Das wäre auch für den Tannberg etwas Praktisches, wo alle Jahre wegen der Schneemenge wochenlang kein Mensch die Gemeinde verlassen kann.“ 116 Jahre später ist Schröcken-Warth ein beliebter Wintersportort und bekannt dafür, ein Schneeloch zu sein: Bis zum 1. Mai laufen die Lifte.
Ein amerikanisches Magazin hat das Skigebiet Warth-Schröcken sogar als „Europe’s snowiest resort“ ausgezeichnet und berief sich dabei auf eine Statistik, die in Warth seit Jahren sehr gepflegt wird. Denn sie besagt, dass dort durchschnittlich etwas über elf Meter Schnee pro Winter fallen. Und damit liegt die Vorarlberger Gemeinde Warth in Sachen Schneemenge vor Orten wie Zürs in Tirol, Obertauern im Salzburger Land und Avoriaz in Frankreich.
Weiße Mauern
Skifahrer wissen das zu schätzen. Auch diesen Winter werden wieder elf Meter Schnee fallen. An den Straßen ragen hohe weiße Mauern auf, auf den Hausdächern türmen sich große weiße Hauben, und im Skigebiet verschwinden die Bäume unter einer dicken weißen Decke. Und beinahe wäre unter den Schneemassen auch die hübsche Geschichte des Pfarrers begraben worden.
Und damit auch die erstaunliche Tatsache, dass Johann Müller einer der ersten Skifahrer in den Alpen war. Und das hat doch eine gewisse Brisanz, weil sich zum Beispiel St. Anton am Arlberg, nur ein Tal weiter gelegen, schon lange als „Wiege des alpinen Skilaufs“ vermarktet und sich dabei auf den „Skiclub Arlberg“ bezieht, der 1901 gegründet wurde.
Doch das geschah sechs Jahre, nachdem Pfarrer Müller in Warth seinen Gedanken, dass Skier etwas Praktisches“ sein könnten, in die Tat umgesetzt und sich selbst die Technik beigebracht hatte.
Noch waren es nur zarte Anfänge des Skilaufs, die der Pfarrer selbst ausdrücklich nicht als Sport bezeichnete, er habe die Skier nur als „praktisches Verkehrsmittel“ gebraucht. Dennoch: Es war der erste Skifahrversuch in den Alpen – und er begann in Warth. Noch vor kurzem hatte der Warther Tourismusverband nicht mehr als ein Infoblatt, auf dem Auszüge des Pfarrer-Müller-Berichts nachzulesen sind. Müllers Nachfolger im Pfarramt, Pfarrer Hans Partl, weiß mehr: „Die Barbara Pfefferkorn hat bei ihm noch das Skifahren gelernt – und die habe ich wiederum noch gekannt.“ Sie sei 1895 ein junges Mädchen gewesen und habe ihm in den 1950er-Jahren von ihrem „Skilehrer“ berichtet.
Sie hätte am Morgen die Skispuren im Schnee gesehen, herausgefunden, dass sie vom Pfarrer stammten, und wollte dann unbedingt selber Skifahren lernen.
Barbara Pfefferkorn hat ihre Ski-Leidenschaft offenbar an ihre Nachfahren weitergegeben: Ihr Urenkel ist ein junger Bursche namens Alois Bickel. Er lebt ebenfalls in Warth und ist einer der bekanntesten Freeski-Profis Österreichs. Dennoch schien es, als hätte es diese Geschichte nie über den nächsten Berg geschafft.
Bequem und schnell
Doch das soll sich ändern: Der Originaltext ist auf der Internetseite des Skiortes nachzulesen, die Skischule bietet zweimal pro Woche eine Skitour an, die auf Pfarrer Müllers Spuren von Warth nach Lech führt. Das ist heute weniger mühsam als vor über 100 Jahren. Schließlich kann man mit dem Warther-Horn-Express, einer modernen Sechsersesselbahn, gemütlich nach oben fahren. Dann muss man nur noch, die Skier auf den Schultern, durch den Einschnitt zwischen Warther und Karhorn aus dem Skigebiet herausstapfen, oben am Sattel die Skier wieder anschnallen, um auf der anderen Seite über sanfte Bergrücken hinunter nach Lech zu gleiten.
Und nach einer Stunde in der Ruhe der Berge, die zu Pfarrer Müllers Zeiten noch ganz selbstverständlich war, reiht man sich wieder in die Ski fahrenden Massen im Skigebiet Lech ein.
Weitere Informationen: Warth-Schröcken Tourismus, 6767 Warth, Tel. 05583/3515-0 , www.warth-schroecken.com .
Unterkunft: Das „Sporthotel Steffisalp“ ist ein Vier-Sterne-Hotel, das direkt an der Piste liegt (www.steffisalp.at ). Das „Berghotel Köbersee“ liegt auf 1675 Metern an der Talstation Falken (www.koebersee.at ).