Neun Monate von Couch zu Couch
Als Couchsurfer war Christoph Pehofer ein Dreivierteljahr in neun Ländern unterwegs. Mit der Kamera fing er das Abenteuer ein, das ihn vom Nudisten in New York bis zur Transgender nach Bangkok führte.
"Jeder Freund war einst ein Fremder für mich", sagt Rishav. Der Inder ist einer von 53 Menschen, die Christoph Pehofer auf seiner Reise durch Nordamerika und Südostasien die Tür zu ihren vier Wänden geöffnet und ihm einen Schlafplatz angeboten haben. Damit wurde Rishav auch zu einem Protagonisten des Films "Couch Connections", der Pehofers abenteuerliche Reise auf zwei Kontinenten dokumentiert. Mit seinem Debütstreifen tourt der 27-jährige, im niederösterreichischen Ternitz aufgewachsene Filmer eben durch Österreich, mit mehreren Stopps in oberösterreichischen Kinos.
Als Gastgeber begonnen
Seine Couchsurfing-Karriere begann der Absolvent des Bachelor-Studiengangs Medientechnik an der Fachhochschule St. Pölten als Gastgeber. 2013 registrierte er sich auf der Internetplattform, "von der ich von meinem Cousin erfahren habe, der seine chilenische Frau durch diese Art des Reisens kennengelernt hat". Der Cutter einer Wiener Firma, die Werbung fürs Fernsehen produziert, nahm Reisende bei sich auf. "So sieht man seine Heimat quasi im Auge des Touristen und tut, was man sonst nie machen würde – etwa viel Zeit im 1. Bezirk verbringen, ins Naturhistorische Museum oder den Tiergarten Schönbrunn gehen, weil es die Gäste unbedingt wollen", sagt Pehofer.
Inspiriert von den Erzählungen der Kurzzeitbesucher, die es sich auf seiner Couch gemütlich machten, wollte er die andere Seite erfahren – "nicht, weil ich mich selbst finden wollte oder weil ich deprimiert war, sondern weil ich selbst etwas erleben und die Welt erkunden wollte, statt 40 Stunden im Büro zu sitzen."
Christoph Pehofer kündigte seinen Job und flog mit einem Oneway-Ticket an die Ostküste Kanadas, nach Halifax. Tiffany war sein erster Host, wie die Gastgeber im Couchsurfing-Universum genannt werden, bei der er sich als Speisenzubereiter einstellte. "Als Host erwartet man sich kein Geschenk – aber es ist schön, wenn der Surfer etwas Traditionelles aus seinem Land kocht. Ich habe in Nordamerika mehrmals Wiener Schnitzel serviert, obwohl es nicht so einfach war, die richtigen Brösel zu finden."
Nach unzähligen Couches kristallisierte sich heraus, dass das Surfen spannender als das Hosten ist. "Man weiß nicht, was einen erwartet, und es ist dieser Nervenkitzel, den ich suche", sagt Pehofer. Diese Ungewissheit stellte den Weltreisenden aber immer wieder auf die Probe. Für einen Unterschlupf in New York schrieb er 50 mögliche Gastgeber an, aber nur von einem erhielt er eine Antwort auf seine Anfrage. Es war Bob aus Manhattan. Bob der Nudist.
Es ist nicht selten, dass sich Anhänger der Freikörperkultur auf couchsurfing.com tummeln. Nachdem sich Surfer und Host wechselseitig in dem Gastfreundschaftsnetzwerk bewerten, bleiben negative Erfahrungen mit den leidenschaftlichen Nackerbatzln nicht unter der Decke. "Man hört davon, dass manche ihre Gäste zwingen, in der Wohnung ebenfalls nackt zu sein, dies in ihrem Nutzerprofil aber nicht erwähnen", erklärt der Filmemacher.
Einen Tag vor seiner Ankunft nahm Pehofer Bobs Profil noch einmal genauer unter die Lupe. "Da stand, dass ich das Bett mit ihm teilen müsse. Das machte mich extrem nervös. Kaum war ich in der Wohnung, hat er mich umarmt. Nackt. Aber er war super sympathisch, ein lieber Kerl ohne Hintergedanken, der das Freiheitsgefühl entdeckte, als er mit 23 Jahren nackt im Lake Michigan gebadet hat. Schon nach einer halben Stunde waren wir zum FKK-Strand unterwegs. Er hat auch angeboten, in der Wohnung etwas anzuziehen, sollte ich mich mit der Situation unwohl fühlen. Bob kam übrigens im Jänner zu meiner Filmpremiere nach Wien. Angezogen. Ich hätt’ ihn fast nicht erkannt."
Kanada, die USA, Südkorea, Hongkong, Vietnam, Kambodscha, Sri Lanka und Thailand klapperte der Niederösterreicher in den neun Monaten ab, meist war er mit Bus, Zug, im Mietauto oder als Autostopper unterwegs. Auf den Schultern lastete ein 18 Kilogramm schwerer Rucksack "mit viel zu viel Kleidung", in einem kleineren Packerl verstaute er die Filmausrüstung.
Besonders bewegte ihn die Einladung einer Vietnamesin, die mit ihrem Bruder in einer 20-Quadratmeter-Einzimmerwohnung lebt. "Beide haben auf dem Boden geschlafen und nachts ihre Mopeds hereingestellt, und trotzdem diese kleine Wohnfläche mit einem Fremden geteilt." Eine Begegnung mit Konsequenzen: Nach Wien zurückgekehrt tauschte der Filmer seine große Wohnung gegen ein Durchgangszimmer in einer WG. "Ich habe erkannt, dass man zum Leben nicht so viel braucht, dass man mit weniger vielleicht glücklicher ist."
Eine kulinarische Bewusstseinserweiterung erlebte Pehofer in Indien, das bei der Länderwahl lange ein Wackelkandidat war, "weil mein Magen nicht der beste ist, was mir Sorgen machte. Doch es gab keinen einzigen Durchfall, und das Essen war fantastisch. Selbst wenn man ,nicht zu scharf’ sagt, ist es noch extrem scharf, aber irgendwann gewöhnt man sich daran."
Seit seiner Rückkehr im Mai 2018 hat der Couchsurfer an seinem Erstling "Couch Connections" gearbeitet, unterstützt mit 18.000 Euro aus einer Kickstarter-Kampagne. "In einer Zeit, in der das Brückenbauen zwischen unterschiedlichen Kulturen oft mit Angst, Vorsicht und gar Ablehnung gleichgesetzt wird, möchte dieser Film einmal mehr aufzeigen, welch wunderbare Freundschaften geschlossen werden können", sagt Pehofer, der Teilzeit in einem Wiener Hostel als Barkeeper und Rezeptionist arbeitet. Ein Filmfestival in New York hat sein Werk ins Programm genommen. Wenn er dazu in den Big Apple fliegt, hat er schon eine Unterkunft – bei Bob dem Nudisten.
Kino-Tour: "Couch Connections" wird in folgenden oberösterreichischen Kinos gezeigt: City Kino (Linz, 11. März, 20 Uhr), Dieselkino (Braunau, 12. März, 19 Uhr), Star Movie (Wels, 20. März, 19.30 Uhr), Star Movie (Steyr, 23. März, 19 Uhr), City Kino (Steyr, 1. April, 19.30 Uhr)
Couchsurfing
Seit 2004 ist das Internetportal couchsurfing.com aktiv. Mitglieder des Freundschaftsnetzwerks nutzen die Website, um eine kostenlose Unterkunft auf Reisen zu finden, selbst einen Schlafplatz anzubieten und im besten Fall Reisenden die Stadt zu zeigen. Um Sicherheit und Vertrauen zu fördern, hinterlassen Gäste wie Gastgeber gegenseitig Referenzen. Nach eigenen Angaben hat couchsurfing.com rund zwölf Millionen Mitglieder.
Hauptsache die Seiten der Zeitung (oder in diesem Falle des Internets) sind voll - egal was jemand macht und wenn es noch so dämlich ist.
wenn einer eine Reise macht kann er was erzählen👍
ich durfte ja auch viel von der Welt sehen