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 Saft und Chrom

Von Tex Rubinowitz, 06. November 2024, 10:58 Uhr
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Bild: kos

Ich habe in Wels den Donauwalzer umgeschrieben, anlässlich des 200. Geburtstags von Johann Strauss beauftragte mich jemand damit, keine Ahnung, warum.

Auftraggeber ist die Stadt Wien, oder so was Ähnliches. Singen wird das zum Jahreswechsel Max Mutzke, der vermutlich ebenfalls nicht weiß, warum man ihn dafür erkor. Ich bin nicht als Librettist bekannt, Mutzke nicht als Wiener, sondern eher Eurovision-Song-Contest-Teilnehmer von 2004, mit einem beachtlichen achten Platz. Nun habe ich also als Stadtschreiber in Wels einen zusätzlichen Job bekommen, Walzerlibrettist, und weil ich dadurch im sogenannten Flow, also durch einen Fluss im Fluss bin, möchte ich auch Wels einen Walzer schreiben, eine Ode an einen Fluss.

In meiner Adaption des Donauwalzerlibrettos geht es um allerlei Tiere mit K: Sie walzt von links/Und auch nach rechts/Nicht nur in Linz beginnt’s/Aus einem Tropfen/Wird ein Schwarzes Meer/Am Ufer steht/Ein Kragenbär/Als Karpfen wärst du gar nicht mehr/So sehr für Schiffsverkehr/Und Krokodile/Weit weg vom Nile usw. usw.

Wie könnte man das für Wels anlegen, natürlich muss man sich zunächst einmal für ein Fließgewässer entscheiden. Die Traun? Kommt mir ein bisschen zu teilnahmslos vor, nicht direkt am Geschehen der Stadt partizipierend, so als hinge sie noch dem Traunsee und Bad Ischl nach. Also eher der Mühlbach oder der Grünbach? Oder gar beide, die geschwisterlichen Rinnsale, die nicht zusammenkommen können? Der arme Grünbach, der nur irgendwo nördlich von Wels schnöde versickert, also nie das Meer sehen darf und vor 40 Jahren durch eine inzwischen verlegte Gerberei in Offenhausen stark mit Chrom belastet war, sein Chromgehalt zählte zu den europäischen Spitzenwerten, in Wels wurde er der Strom aus Chrom genannt, es gab sogar eine Rockabilly-Band namens Chromstrom-Johnnies, kein Welser kann sich mehr daran erinnern.

Und der Mühlbach? Dem niemand eine Badeanstalt gönnt oder zutraut? Ich habe mal einen Internetroboter gebeten, ein Gedicht zu schreiben, die seelenlose, offenbar legasthenische Maschine servierte das:

Gemeinsam sie fließen durch Wiesen und Tal Ein Band zwischen Herzen, ein unsichtbares Mal Der Grünbach sprudelt mit Energie voller Kraft Der Mühlbach umhüllt mit seinem sanften Saft

Das ist etwas verwirrend, den Mühlbach als Saft mit Umhüllungseigenschaft zu umschreiben, kann man ein Getränk als Mantel tragen? Und um welches Mal geht es in der zweiten Zeile? Dass der eine der beiden Bäche chromverseucht war? Also so kommen wir nicht weiter, zumal auch noch ein Komponist und ein Interpret fehlt. Manchmal bleiben Pläne auch ganz gut in der Schublade liegen, ich frage den Roboter, was er zu dem Plan meint und ob ich womöglich eine Meise habe, er antwortet: So ruht die Schublade in ihrer Pracht Bewahrt die Geschichten der Nacht Die Bäche singen ihr Lied dazu leise Von Saft und Chrom und einer Meise

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Tex Rubinowitz
Welser Stadtschreiber
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