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Unterschätzte Gefahren

Von Wolfgang Braun, 06. Juli 2024, 05:30 Uhr

Großbritannien ist Beispiel dafür, was passiert, wenn der Geist aus der Flasche ist.

In Großbritannien haben die konservativen Tories am Donnerstag eine Niederlage historischen Ausmaßes hinnehmen müssen – und das völlig verdient. Denn auch der Niedergang und die Wohlstandsvernichtung, die die Tories und ihre fünf Premierminister in den vergangenen 14 Jahren in Großbritannien zu verantworten hatten, erreichen ohne Zweifel historische Dimensionen.

David Cameron, Premier von 2010 bis 2016, wird dabei als jener Mann in die Geschichte eingehen, der Großbritannien in den Brexit führte und damit seiner stolzen Insel die Basis für Prosperität entzogen und Europa einen schweren Wirkungstreffer versetzt hat.

Cameron hatte den Briten im Wahlkampf 2015 ein Referendum über einen EU-Austritt in Aussicht gestellt, aus innenpolitischem Kalkül. Mit diesem Lockmittel wollte er seinen Wahlsieg absichern – die EU-Mitgliedschaft war Roulette-Einsatz. Cameron erwartete nicht, dass bei der im Juni 2016 durchgeführten Abstimmung tatsächlich die Austrittsbefürworter eine Mehrheit erreichen würden.

Doch die Sache entglitt, weil einerseits die EU-Befürworter das Referendum unterschätzten und andererseits eine vulgäre Austrittskampagne entfesselt wurde, damals schon gefüttert von russischen Trollen in digitalen Kanälen und getragen von politischen Glücksrittern wie Nigel Farage sowie Teilen der Tories, die trunken waren von britischem Nationalpopulismus.

Milliarden würde man sich sparen, wenn Großbritannien nicht mehr in der EU sein müsse, wurde versprochen – und diese Milliarden würde man in das britische Gesundheitssystem investieren und es zum besten der Welt machen. Heute liegt das britische Gesundheitssystem in Trümmern, weit und breit keine Milliarden in Sicht, im Gegenteil – und das ist nur ein Beispiel.

Die Hysterie um den Brexit hat Großbritannien jahrelang gelähmt, sie hat die meisten anderen Themen überlagert und Figuren wie Boris Johnson Premierminister werden lassen.

Mittlerweile ist die Ernüchterung groß, vor allem bei den Jungen. Der Brexit hat in Umfragen keine Mehrheit mehr. Aber das Gift wirkt noch immer.

Keir Starmer, Labour-Wahlsieger und neuer Premierminister, steht vor einer Herkules-Aufgabe. Doch eine Rückkehr in die EU wagt er nicht einmal anzudenken. Zu groß ist die Sorge, dass dadurch wieder politische Extremisten Auftrieb bekommen.

Großbritannien ist somit auch Beispiel dafür, was passiert, wenn der Geist einmal aus der Flasche und das Undenkbare geschehen ist.

Es passt dazu, dass 2016 nicht nur die Briten den Brexit, sondern auch die USA Donald Trump zum Präsidenten gewählt haben. Er schien ein Irrläufer der Weltgeschichte zu sein, ermöglicht nicht zuletzt durch einen überheblichen Wahlkampf Hillary Clintons.

Doch in diesen Tagen ist die Wahrscheinlichkeit einer neuerlichen Wahl Trumps im November dieses Jahres massiv gestiegen. Wieder ist es eine Geschichte, die wie beim Brexit mit Fahrlässigkeit zu tun hat und mit dem Unterschätzen einer Gefahr. Denn ein Mann wie Trump ist eine Gefahr.

Er hat Parteifreunde in Wahlkommissionen nach seiner Niederlage 2020 dazu aufgefordert, ihm die nötigen Stimmen zu beschaffen, um doch vorne zu sein. Er hat einen fanatisierten Mob dazu ermutigt, das Kapitol zu stürmen und die Wahl Joe Bidens zum Präsidenten zu verhindern – Vorgänge, die in unserer demokratischen Wirklichkeit unvorstellbar erschienen und eine Ächtung dieses Kandidaten zur Folge haben müssten.

Zumindest aber hätte man erwarten dürfen, dass sich die Demokraten für die Wahl 2024 wappnen und ihren verdienten Präsidenten Joe Biden rechtzeitig und würdig von einem neuerlichen Antreten abbringen. Dass der 81-jährige Biden im ersten TV-Duell mit Trump zeitweise verwirrt wirkte und unterging, war leider keine Überraschung. Jetzt können die Demokraten nur noch wählen zwischen dem Risiko, mit Biden auf "Augen-zu-und-durch-Kurs" zu bleiben, und dem Risiko, vier Monate vor der Wahl einen neuen Kandidaten unaufgewärmt ins Rennen zu schicken.

Das alles ereignet sich in einer Weltordnung im Umbruch, in der Europa bedrängt wird durch den neo-imperialistischen Aggressor Russland und die neue Weltmacht China, die ihren Einflussbereich wirtschaftlich und geopolitisch sukzessive ausdehnt.

Sind wir in der EU gerüstet für diese Herausforderungen? Oder müssen wir hoffen, dass in den USA ein mittleres Wunder passiert?

Die Antwort ist ernüchternd.

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Autor
Wolfgang Braun
Stellvertretender Chefredakteur
Wolfgang Braun
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6  Kommentare
6  Kommentare
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Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
soistes (2.388 Kommentare)
am 07.07.2024 10:18

Das ist wieder typisch.
"Müssen wir in Amerika auf ein Wunder hoffen....."

Europa muss sich endlich aus diesen Klauen befreien - wenn es wieder eine bedeutendere Rolle in der Welt spielen will. So schauts aus.
Denn für die Amis sind wir wie lästige Babies ein Anhängsel, das mit Zuckerln still gehalten wird.

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sagenhaft (2.321 Kommentare)
am 07.07.2024 09:48

Auch ins EU Parlament kommen 720 herabgeordnete obwohl die Wahlbeteiligung nur bei 50% lag. So geht "System Eigennutz gegen uns"

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Zaungast_17 (26.642 Kommentare)
am 06.07.2024 10:24

Wunder passieren selten ...

Wohlstandsvernichtung betreibt unsere Regierung auch ... nur umsehen und nachdenken!

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Maxi-milian (750 Kommentare)
am 06.07.2024 09:21

Ob die Wähler in anderen Ländern aus der Entwicklung in GB etwas lernen ist fraglich. Fake News-Parteien haben nicht selten immer noch Aufwind, leider auch bei uns.

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2020Hallo (4.676 Kommentare)
am 06.07.2024 07:39

Die Überschrift stimmt leider - nur unsere Politiker in Österreich kapieren das nicht!

Wenn man dann auch noch sog. Volksvertreter ohne Ausbildung bzw. einen „normalen“ Beruf ausübt zu haben sein kann, das zeigt alles….🙈🙈👎👎

Welche „Erfahrung“ haben die dann - im Leben stehen die nicht !

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lucky890 (2.354 Kommentare)
am 06.07.2024 07:26

sie haben Undenkbares vergessen, nämlich dass die Deutschen ihre Wirtschaft abbauen, rot grüne Ideologen das Ruder übernehmen, Islamisten ungestraft das Kalifat ausrufen und ganze Stadtteile zu NoGo Zonen werden. Wenn Sie mit dem rechten Auge richtigerweise scharf sehen, sollten Sie das Linke nicht schließen.

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