Schwammerl: Zwischen Genuss und Gefahr
Der Wald hat wieder serviert, Schwammerl und Pilze. Doch Vorsicht! Die Verwechslungsgefahr ist hoch. Eine Hilfe für Schwammerlsucher, von Manfred Wolf.
Kaum ein Schwammerlsucher verrät seine besten Plätze. Auch Otto Stoik tut das nicht. Aber sein Wissen, das teilt er gerne. Der Linzer ist Obmann der ARGE Österreichische Pilzberater, und als solchem ist es ihm ein Anliegen, Schwammerlsammler und -genießer vor den tödlichen Gefahren zu warnen, die mit dem Genuss der "Waldfrüchte" einhergehen. Die OÖN haben den Experten über Irrtümer sowie Mythen befragt und dabei allerlei Wichtiges vom obersten Schwammerlsammler erfahren.
1. Wichtigste Frage: Steht uns ein Schwammerlsommer bevor?
Dort, wo es geregnet hat, gibt es dank Wärme und Feuchtigkeit heuer ein ideales Pilzwachstum. Allerdings war das Wetter von Region zu Region doch sehr unterschiedlich. Von einer allgemeinen Schwammerl-Euphorie kann man also nicht sprechen. Im Dreiländereck Österreich, Deutschland, Tschechien ist die Saison hervorragend.
2. Steinpilze und Gallenröhrlinge sind leicht zu verwechseln. Wie unterscheide ich sie?
Der Steinpilz hat zunächst eine weiße Röhrenschicht, die wird im Lauf der Tage gelb oder grünlich. Der gelbe Schwamm ist auch genießbar. Dort befinden sich die meisten Vitamine und Spurenelemente. Denn in dieser Röhrenschicht wächst schon die nächste Generation der Pilzsporen heran, da muss alles drin sein, was ein Pilz zum Vermehren braucht. Der Stiel des Gallenröhrlings hat ein braunes Netz.
3. Auch das Eierschwammerl hat Doppelgänger. Welche?
Zum einen den Raukopf, aber auch das Gallertkäppchen. Letzteres löst auf alle Fälle eine Magen-Darm-Reaktion aus, der Raukopf ist hoch giftig – aber es wirkt sich erst nach mehr als 14 Tagen aus.
4. Gibt es eine allgemeine Regel, an die man sich halten kann, wonach man giftige Pilze von den genießbaren unterscheiden kann?
Leider nein. Es gibt allein in Oberösterreich an die 6000 verschiedene Pilze. Und selbst in den guten Pilzbüchern sind nur an die 1000 dargestellt. Es wäre also äußerst unvernünftig, wenn man Pilze sammelt, zu glauben, dass es schon der oder der sein wird. Man muss sich zu 100 Prozent sicher sein. Wissen vor Glauben! Wer zweifelt, kann ja alle 14 Tage am Montag zwischen 18 und 20.30 Uhr ins Biologiezentrum Linz zur Pilzbestimmung kommen. Nur eines: Wenn ich bei Röhrenpilzen auf der Unterseite oder am Stiel etwas Rotes sehe, dann ist Vorsicht geboten.
5. Die einen kommen nach einer Stunde mit einem vollen Korb aus dem Wald, die anderen brauchen Stunden für ein paar hundert Gramm – wenn überhaupt. Gibt es ein Geheimnis?
Stehen bleiben, gegebenenfalls niederknien und genau schauen. Der Wegrand und Moos sind gute Plätze für die Schwammerl. Im Frühling sind Südhänge optimal, weil sie feuchter sind, im Sommer und Herbst dann die Nordhänge. Der Herbst ist wegen der Baumpartnerschaften eine gute Schwammerlzeit, weil die Bäume das Wachstum eingestellt haben und die Nährstoffe für die Pilze bleiben. Und auf die Baumpartner achten. Wenn ich im Frühling zum Beispiel Morcheln suche, dann suche ich zunächst einmal Eschen, denn dort wachsen sie gerne. Und wenn Sie nichts finden, dann sehen Sie es positiv: Im Wald an der frischen Luft unterwegs zu sein, ist alleine schon sehr gesund.
6. Wie viel Schwammerl darf man überhaupt aus dem Wald mitnehmen – und darf man in jedem Wald suchen?
Maximal zwei Kilogramm dürfen geerntet werden. Der Waldbesitzer darf es natürlich verbieten. Wer sich darüber hinwegsetzt, kann mit bis zu 150 Euro bestraft werden.
7. Wie säubert man Pilze?
Nicht waschen, nur abpinseln oder auch mit einer frischen Zahnbürste. Das Putzen sollte man aber schon im Wald beginnen. Also den größten Schmutz gleich im Wald lassen, weil sich dieser im Korb sonst verteilt und es dann zu Hause nur noch mehr Arbeit ist. Steinpilze gleich im Wald aufschneiden, um zu sehen, ob sie madig sind. Wenn ja, dann sollte man sie gleich im Wald lassen.
8. Worauf muss man bei der Zubereitung der Schwammerl achten?
Jeden Pilz mindestens zehn Minuten mit ausreichender Hitze, also 70, 80 Grad, erwärmen. Also nicht nur panieren und dann drei Minuten links und rechts backen. Das ist zu wenig. Speisepilze enthalten Hämolysine, die die roten Blutkörperchen zerstören oder verkleben können. Durch die Hitze werden diese allerdings abgetötet. Wer einen Parasol paniert, sollte ihn allerdings nicht zu lange im Öl lassen, besser ist, ihn backen, dann mit Küchenrolle abtupfen und im heißen Backrohr die restliche Zeit erhitzen. Denn die Lamellen saugen sich mit Öl an, und das macht einen schlechten Magen.
9. Kann man Pilze einfrieren?
Ja, aber nicht länger als ein halbes Jahr. Wichtig ist allerdings, das man sie dann gleich aus dem Gefrierfach in die heiße Pfanne gibt und sie vorher nicht auftaut! Denn durch das Auftauen zersetzt sich das Pilzeiweiß, und es kann zu einer Lebensmittelvergiftung kommen.
10. Stimmt der Mythos, dass man alle Pilze, die auch von Tieren angebissen sind, essen kann?
Nein. Schnecken essen beispielsweise Knollenblätterpilze, die für Menschen absolut giftig sind. Blödsinn ist auch, dass, wenn man einen Silberlöffel mitkocht und sich dieser nicht verfärbt, das Gericht dann nicht giftig ist. Das ist nicht mehr als eine gefährliche Mär.
11. Kann man Korallenpilze essen?
Es gibt essbare, aber die lassen sich so leicht verwechseln, dass ich es nicht empfehle. Es führt zu Magen-Darm-Beschwerden. Ich spreche aus Erfahrung, denn selbst ich habe einmal eine Hahnenkamm-Koralle mit einer Bauchweh-Koralle verwechselt.
12. Wie muss man reagieren, wenn jemandem nach dem Verzehr von Pilzen schlecht wird?
Sofort zum Arzt oder ins Spital, und keine Zeit verlieren! Ganz gefährlich wird es, wenn sich Beschwerden wie Bauchweh, Übelkeit, Erbrechen, Schweißausbruch nach zwölf, dreizehn Stunden einstellen. Das ist ein Indiz dafür, dass man einen Knollenblätterpilz verzehrt hat. Da entscheidet dann jede Minute, weil Leberzerstörung eintritt, wenn nicht sofort Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Und nichts trinken, das würde das Gift nur in den Körper schwemmen.
Strahlende Beute?
Der Eintrag von radioaktivem Cäsium durch den Reaktorunfall in Tschernobyl ist 32 Jahre her (Halbwertszeit Cs-137: 30 Jahre). In Waldböden bleibt es länger an der Oberfläche als auf Ackerböden. Das bedeutet, dass Waldtiere (insbesondere Wildschweine) und Waldpilze (Maronenröhrling!) immer noch cäsiumbelastet sind. Von 23 Waldpilzproben aus Oberösterreich, gezogen 2016, waren sechs an oder über dem Grenzwert (600 Becquerel pro kg). „Aufgrund der geringen Verzehrraten von Wildpilzen bedeuten diese Konzentrationen dennoch keine signifikante Strahlenbelastung“, teilt das Büro von Landesrat Rudi Anschober mit.
Die Hälfte der durchschnittlichen Strahlenbelastung stammt vom natürlichen Radon, ein Viertel aus der Medizin (Röntgen etc.) und fast der ganze Rest aus der Gammastrahlung (All). Waldpilzverzehr unter zehn Kilo im Jahr sei kein Problem, heißt es von der AGES, der Österreichischen Agentur für Ernährungssicherheit.
Das Gesundheitsministerium hält fest: Steinpilze sind bedenkenlos essbar, Eierschwammerl aus geringer belasteten Gegenden (siehe Karte) auch, Maronenröhrlinge sollte man meiden. (but)