KTM-Chef Pierer: "Starre Gesetze sind ein Hemmschuh"
Drei Punkte nennt Stefan Pierer, Vorstand der KTM-AG, die erfolgreiche Unternehmen massiv beeinträchtigen: erstens die mangelnde Arbeitszeit-Flexibilität, zweitens die in allen Bereichen überbordende Bürokratie und drittens, dass die Arbeit zu hoch besteuert ist
- Der Manager fordert flexiblere Arbeitszeiten und sieht den Abbau der Bürokratie für Unternehmen als überfällig
- Er vermisst die Unterstützung durch die Wirtschafts- und Arbeiterkammer, diese nennt er "Blockierer".
"Die Leute können ja nicht nach zehn Stunden aus dem Flieger springen", macht der Chef des Motorradunternehmens drastisch deutlich, dass die gesetzlich vorgeschriebene Maximalarbeitszeit in manchen Bereichen einfach nicht einzuhalten ist.
"Es geht nicht um die Produktion, für die Beschäftigten dort sind zehn Stunden eh genug", differenziert Pierer klar. Es gehe um die Angestellten in den Bereichen Entwicklung, Vertrieb, Marketing, Verkauf, Export, Sport, zählt er auf. Wenn an einem Projekt gearbeitet werde, wenn in der Entwicklung an einer Lösung getüftelt werde, sei eine solche Begrenzung einfach unsinnig. "Das demotiviert auch die Leute selbst, die wollen ja oft dranbleiben, und wissen, dass eine Messe halt intensiv ist", nennt der Manager Beispiele. Besonders in den Dienstleistungsbereichen und bei den internationalen Kontakten sei das starre Arbeitszeitgesetz ein gravierender Hemmschuh. "Wir exportieren 50 Prozent außerhalb Europas", sagt Pierer. Nicht nur um die Zeitverschiebung geht es ihm mit diesem Argument, sondern auch um die ganz andere Arbeitszeit: "Wir müssen uns da mit Koreanern und anderen Ländern in Fernost messen."
"Blockierer und Sargnägel"
Nur im Motorsport seien Ausnahmeregelungen möglich: "Das sehen auch die Kammern ein, dass ein Rennen am Sonntag gefahren wird, und die Vorbereitung darauf in den Tagen zuvor intensiv ist." Auf Regierungsebene sei erkannt worden, dass eine Flexibilisierung der Arbeitszeit notwendig ist, die Wirtschafts- und die Arbeiterkammer bezeichnet Stefan Pierer in dieser Frage als "Blockierer und Sargnägel".
Das Gesetz einzuhalten sei in der Realität unmöglich, kritisiert der Unternehmer, der in Mattighofen und Munderfing immer wieder Firmengebäude errichtet und erweitert. Die Aufzeichnungen seien kompliziert, man stehe immer mit einem Fuß im Kriminal. "Die Verwaltungsstrafen haben ein unglaubliches Ausmaß erreicht, die gehen in Österreich in die Millionen, das ist ja schwachsinnig", wird Pierer drastisch. "So eine Reiseabrechnung ist ja wie eine halbe Dissertation", vergleicht er den Aufwand. Ein großes Unternehmen habe dafür Strukturen und Fachleute, die natürlich auch sinnvollere Arbeit machen könnten. Mittel- und Kleinbetriebe treibe das in die Verzweiflung, ergänzt er. "Zwölf Stunden sollten möglich sein", wünscht sich Stefan Pierer .
"Ich kann es mir leisten, seit 30 Jahren die Arbeitszeitgrenze massivst zu überschreiten und ich mache es mit Freude", bekennt KTM-Vorstand Pierer. Bürokratie, auch am Bau, abzubauen, ist ihm ein weiteres wichtiges Anliegen. Er rechnet etwa bei den Lohnhauptkosten vor: "Wenn jemand 3000 Euro brutto verdient, kostet das ein Unternehmen 54.000 Euro im Jahr und davon bleiben dem Arbeitnehmer nicht einmal 50 Prozent."
Zahlen und Fakten
- 10 Stunden darf nach dem Arbeitszeitgesetz die tägliche Höchstarbeitszeit nicht überschreiten, sofern die Abs. 2 bis 4 im Gesetz nichts anderes sagen.
- 12 Stunden sollten möglich sein, regt KTM-Chef Stefan Pierer an – für Beschäftigte in Marketing, Verkauf, Rennsport, Forschung und Entwicklung.
- 37,6 Millionen Überstunden wurden allein von den Oberösterreichern 2015 geleistet. Geschätzt ein Fünftel davon unentgeltlich.
„Neue Arbeitsformen werden auch neue Regelungen erfordern“
Die Forderung nach einer Arbeitszeitflexibilisierung muss man differenziert betrachten und dabei auch die Auswirkungen auf Wirtschaft und Arbeitskräfte miteinbeziehen“, gibt sich AMS-Landesgeschäftsführer Gerhard Straßer diplomatisch.
„Für eine positive Wirtschaftsentwicklung ist eine optimistische Grundstimmung in den Unternehmen Voraussetzung. Von den Betrieben werden Arbeitszeitbeschränkungen und überbordende Bürokratie als Hemmnis empfunden. Im internationalen Vergleich ergibt sich daraus ein objektiver Wettbewerbs-Nachteil für Österreichs Wirtschaft. Aber nur optimistisch gestimmte Unternehmen werden Investitionen und Personaleinstellungen vornehmen. Eine Arbeitszeit-Flexibilisierung kann Steigerungen begünstigen. Allerdings gibt es auch eine große Anzahl von Menschen ohne Arbeit. Insbesonders sind jene mit einer geringen Qualifikation betroffen. Die Flexibilisierung der Arbeitszeit darf nicht zu einer übertriebenen Mehrarbeit einzelner Personen oder bestimmter Branchen führen, denn damit würde die Zahl der Arbeitsplätze in Summe reduziert.
Wichtig ist auch, dass es zu keinen Gehaltseinbußen kommt. Vor allem nicht bei Arbeitskräften mit geringem oder mittlerem Einkommen. Denn das ist eine Voraussetzung, das Konsumverhalten aufrechtzuerhalten und das Wirtschaftswachstum zu fördern. Mein persönlicher Eindruck ist, dass bei vielen Mitarbeitern der Wunsch nach flexiblen Arbeitszeiten besteht, dieser jedoch im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen oft nicht umsetzbar ist. Neue Arbeitsformen erfordern jedoch auch neue Regelungen“, sieht der AMS-Landesgeschäftsführer auch positive Seiten.
„Lange Arbeitstage belasten Gesundheit und schaden der Produktivität“
Für eine weitere Lockerung des Arbeitszeitrechtes zur Ausweitung der Tagesarbeitszeit sehe ich keine Veranlassung. Eigentlich dreht sich die aktuelle Debatte ja inzwischen um den Zwölf-Stundentag. Dabei sieht das Gesetz bereits mehrere Möglichkeiten für längere Arbeitstage vor“, erklärt AK-Präsident Johann Kalliauer auf Anfrage der Schärdinger Volkszeitung. Laut Regierungsprogramm sollen die Sozialpartner ihre Vorschläge bzw. Forderungen bis Mitte 2017 vorlegen.
„Dass Unternehmen kalkulierte Personalknappheit auf Kosten der Beschäftigten und der Arbeitsuchenden betreiben, muss ein Ende haben“, fordert Kalliauer ausdrücklich. Jene Arbeitszeitflexibilisierung, von der die Unternehmen sprechen, sei meist nur zum Nachteil für die Arbeitnehmer und zu ihrem eigenen Vorteil. „Die Unternehmen wollen sich Kosten sparen und daher die Überstundenzuschläge weg bringen. Meist wird Flexibilität immer nur in die Verlängerungsrichtung gedacht – dabei bieten kürzere Arbeitstage viele Vorteile, wie zum Beispiel das Experiment in Schweden zeigt.“
Zentrales Thema in der Beratung sei – auch in Schärding –, dass die Arbeitgeber die Überstunden nicht ordnungsgemäß zahlen. Daneben wünschen gerade jüngere Teilzeitbeschäftigte unter 40 längere Arbeitszeiten, Vollzeitbeschäftigte hingegen wollen kürzer arbeiten. „Gut angenommen werden Arbeitszeitinnovationen wie die kollektivvertragliche Freizeitoption zum Beispiel in der Elektroindustrie oder das Superwochenende im Handel. Das verbessert die Zeit-souveränität und die Qualität des Arbeitens“, so der AK-Präsdident.
Verstöße gegen die Höchstarbeitszeit sind „sehr häufig“
Das Thema Arbeitszeitgesetz ist sehr aktuell – ich weiß gar nicht, wie viele Fälle wir in unserer Kanzlei in den vergangenen drei, vier Jahren vertreten haben, es sind sehr viele“, sagt der Rieder Anwalt und Arbeitsrecht-Experte Peter Vogl von der Rechtsanwaltskanzlei Puttinger, Vogl & Partner in Ried. Seit der Änderung des Arbeitszeitgesetzes im Jahr 2008 haben die Arbeitsinspektorate viele Bescheide in der Höhe von zigtausenden Euro wegen Verstößen ausgestellt, sagt der Anwalt. Meist würden Verstöße gegen die Höchstarbeitszeitdauer von zehn Stunden pro Tag angezeigt.
Sondervereinbarungen möglich
Allerdings gebe es Möglichkeiten für Unternehmen, sich durch individuell angepasste Arbeitszeitmodelle abzusichern, sagt Peter Vogl. Zum einen sei dies durch Betriebsvereinbarungen möglich – allerdings nur in Unternehmen mit Betriebsrat, der dieser Maßnahme auch zustimmen muss. Und zum anderen durch Einzelvereinbarungen, die wiederum durch einen Arbeitsmediziner als unbedenklich attestiert werden müssen.
Peter Vogl empfiehlt, die praktizierten Arbeitsmodelle in Unternehmen ständig zu evaluieren: „Arbeitszeitmodelle, die in Unternehmen gelebt werden und die gegen das Arbeitszeitgesetz verstoßen, können auch gegen das Lohn- und Sozialdumpinggesetz verstoßen.“ Dann drohen den Unternehmen nicht nur Nachforderungen, sondern auch Strafen.
Vor allem in kleineren und mittleren Betrieben komme es immer wieder vor, dass nach Arbeitszeit-Verstößen Strafen verhängt werden, die man verhindern hätte können: „Manche Betriebe erwischt es, weil sie nicht gewusst haben, welche Möglichkeiten es gibt“, sagt Peter Vogl. Erste Strafbehörde sei übrigens die Bezirkshauptmannschaft, sagt der Anwalt.
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Hausbauen oder etwas größeres anschaffen ist mit dieser starken Beschränkung fast unmöglich. Meine Eltern hatten sich in den 70iger Jahren ihr Haus nur dadurch leisten können, weil sie nicht mit 40 Stunden zu arbeiten aufgehöhrt haben, sondern zusätzliche Jobs annahmen, um das erforderliche Geld zu haben. Nicht jeder hat ein so fürstliches Gehalt wie die Kammerfunktionäre und Politiker, die diese Gesetze machen.
stimmt in den zeiten der wirtschaftskrise war der ton etwas sanfter; da war man sehr froh über sozialpartnerschaftliche lösungsorientierung - ganz gelinde gesagt.
Es scheint aber dass die Sozialpartnerschaft kapiert hat dass es SO nicht weitergehen kann und es Lockerungen braucht ..
LEITL hat es gesagt und setzt es um .
Vielleicht sollte sich der Arbeitsinspektor ja einmal KTM genauer unter die Lupe nehmen. Stichwort: Arbeitszeitüberschreitungen bzw. Entlohnung von Dienstreisen.
Interessant ist nur wenn über die Politik u. die Sozialpartner hergezogen wird u. irgendwie darauf vergessen wird (bewusst?) wer in der Wirtschaftskrise dem Unternehmen tatkräftig unter die Arme gegriffen hat!
Die "richtige" Entlohnung bzw. Abrechnung ist keine Angelegenheit des Arbeitsinspektors, dabei geht es um KV und Arbeitsrecht. Da kann jeder zur AK oder Gewerkschaft laufen, um sich vertreten zu lassen.
Und für Arbeitszeiten während der Dienstreisen gelten klarerweise Ausnahmen, ansonsten könnte man Österreich gleich für den Export schließen.
...ich wollte nur damit andeuten, dass vermutlich in dieser ach so tollen "One-Man-Show" wie er sich gerne gibt auch nicht alles Gold ist was glänzt.
Das positive ist, dass er erkannt hat dass (Ober-)Österreich ein guter Wirtschaftsstandort ist (wo es aber auch klarerweise immer was zu verbessern gibt).
Nur alles schlechtzureden hilft halt auch nicht, sondern trägt nur dazu bei dass die Konsumenten verunsichert werden.
@senfdazugeber
also nach deinem Posting schätze ich dass du ein Beamter - der um 08:30 den Bleistift nimmt und pünktlich auch wieder um 15:30 aus der Hand fallen lässt, sowie gerne Betriebe und Parteien schikaniert und keine Ahnung von dem Ablauf in einem Betrieb hat - bist.
schlecht geraten: aber wenn man viele Leute kennt, die auch dort beschäftigt sind sieht man gewisse Kritikpunkte vielleicht aus einem anderen Winkel.
Das Interessante an der Flexibilisierung ist nur, dass sie kaum eine Firma ausnutzt aber danach schreit.