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MINING. 75. Todestag der erfolgreichen Literaturkritikerin Marie Herzfeld, die in Mining starb.
In der Wiener Moderne um 1900 war sie eine bedeutende Kritikerin und Förderin, die Übersetzung skandinavischer Literatur und die Erforschung der italienischen Renaissance waren ihre Lebensaufgaben. Am 22. September 1940 verstarb die Literaturkritikerin, Übersetzerin und Forscherin Marie Herzfeld in Mining.
Als Frau hatte Marie Herzfeld mehr erreicht, als zur damaligen Zeit meist möglich war. Sie war eine Persönlichkeit des Literaturbetriebs und stand mit zahlreichen Schriftstellern und Künstlern, wie z. B. Marie von Ebner-Eschenbach, Gustav Klimt oder Rainer Maria Rilke in engem Kontakt. Einige Karrieren, wie jene von Hugo von Hofmannsthal, wurden in der Frühphase von ihr entscheidend angeschoben.
Jüdischstämmige Familie
Marie Herzfelds Vater war Arzt in Güns (heute Köszeg, Ungarn), wo sie am 20. März 1855 geboren wurde. Die jüdischstämmige Familie übersiedelte 1867 nach Wien.
Marie Herzfelds Brüder machten Karriere – Karl August Herzfeld wurde ein berühmter Gynäkologe, Arthur Herzfeld, ein Jurist, fungierte zuletzt als Direktor der Nordbahn. Die Schwester Stephanie wurde Lehrerin und nach der Öffnung der Universitäten für Frauen promovierte Botanikerin. Marie Herzfeld blieben Schule und Studium verwehrt. Ihr Vater unterrichtete sie zuhause, ihre Literatur- und Sprachkenntnisse eignete sie sich selber an. Ab den 1880er- Jahren war Marie Herzfeld als Übersetzerin tätig, u. a. des späteren norwegischen Nobelpreisträgers Knut Hamsun. Als Kritikerin und Essayistin schrieb Herzfeld für Zeitungen wie die "Frankfurter Zeitung" und die "Neue Freie Presse". Sie fungierte auch als Präsidentin des "Vereins der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen in Wien". Für ihre Arbeit erhielt Marie Herzfeld 1904 den "Bauernfeld-Preis". Ab der Jahrhundertwende kam ein wichtiges Betätigungsfeld hinzu: die italienische Renaissance. Eine viel beachtete Arbeit über Leonardo da Vinci (1904) waren die Folge, von 1910 bis 1928 wirkte Herzfeld als Herausgeberin einer 14-bändigen Reihe mit Quellentexten der italienischen Renaissance. Von 1919 bis 1923 lebte sie zum ersten Mal in Mining, wo ihr Bruder Arthur das "Amtmannhaus" in Mamling (Nr. 29) gekauft hatte. Bis 1931 befand sie sich wieder in Wien, anschließend lebte sie bis September 1938 bei ihrer Schwester Elisabeth in Aussig a. d. Elbe und kehrte danach nach Mining zurück.
Straßenname in Mamling
Obwohl längst zum katholischen Glauben übergetreten, galten Marie Herzfeld und ihr Bruder Arthur dem NS-Regime als Juden. Die Ehe mit seiner "arischen" Frau Martha sollte Letzteren schützen, die 85-jährige Marie Herzfeld entging durch ihren Tod aufgrund eines Herzleidens am 22. September 1940 weiterer Verfolgung. Trotz ihres Wirkens geriet sie schnell in Vergessenheit – erst spät wurde Marie Herzfeld wiederentdeckt, in den letzten 15 Jahren erschienen auch einige wissenschaftliche Arbeiten. Seit 2005 erinnert in der Mininger Ortschaft Mamling die Herzfeldstraße an die früher dort ansässige Familie.