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Mordprozess in Ried: "Ein zwischenmenschlicher Supergau"

Von Thomas Streif, 14. November 2024, 08:04 Uhr
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Der Angeklagte mit seinem Verteidiger Andreas Mauhart.

OBERNBERG/RIED. Geschworenenprozess wegen Mordes im Landesgericht Ried begann heute um neun Uhr. Wir berichten aus dem Gerichtssaal. Der Artikel wird aktualisiert.

Von 9 bis 18 Uhr ist der heutige Geschworenenprozess wegen des Verbrechens des Mordes im Landesgericht Ried ausgeschrieben. Ob dieser Zeitplan tatsächlich eingehalten werden kann und ob es heute schon ein Urteil geben wird, ist aber völlig offen. Verteidiger Andreas Mauhart kündigte in seinem Eingangsplädoyer an, weitere Beweisanträge stellen zu wollen. Sollten diese vom Gericht zugelassen werden, könnte es einen weiteren Verhandlungstag geben.

Unstrittig ist, dass ein 22-Jähriger in der Nacht auf den 19. Jänner seinen Vater in einem Einfamilienhaus in Obernberg mit mehreren Messerstichen in Schulter, Bauch und Rücken getötet hat. Der 59-Jährige starb in den frühen Morgenstunden im Spital. Heute wird im Schwurgerichtssaal rekonstruiert, was sich am Tattag und möglicherweise in den Tagen zuvor zugetragen haben soll. Genauso unstrittig wie die tödliche Messerattacke ist, dass im Haus zuvor Schüsse gefallen sind, abgefeuert vom Vater aus einer registrierten Langwaffe. Ein Schuss soll vom ersten Stock von der Stiege in Richtung Erdgeschoß abgegeben worden sein, der zweite dann in Richtung Wohnzimmer. Laut Staatsanwaltschaft lag dabei keine Notwehr vor, da keine Angriffsaktion des Vaters mehr vorgelegen sei. Die Verteidigung ihrerseits wird mit ziemlicher Sicherheit mit Notwehr argumentieren. 

Staatsanwalt: "Ein zwischenmenschlicher Supergau" 

"Jeder weiß natürlich, worum es heute geht. Am 19. Jänner hat sich in Obernberg ein, wie ich sagen würde, zwischenmenschlicher Supergau, wie man sich diesen nicht grauslicher vorstellen kann. Der Sohn tötet den eigenen Vater mit zahlreichen Messerstichen", sagt Staatsanwalt Alois Ebner beim Vortrag der Mordanklage. Das Verhältnis zwischen dem alkoholabhängigen Vater und Sohn sei seit längerem schlecht gewesen. Ab dem 14. Lebensjahr des Angeklagten sei dieser immer mehr auf die schiefe Bahn geraten, immer mehr hätten die Drogen dessen Leben bestimmt, so Ebner. "Schon mit 14 Jahren kassierte der Angeklagte seine erste Vorstrafe. Die Mutter hat immer zu ihm geholfen. Klar, er war das einzige Kind, aber ob das gut war, ist heute nicht das Thema", sagt Ebner. In den Folgejahren verübte der Beschuldigte Raubüberfälle mit einer Axt auf Tankstellen. "Er war relativ lange im Gefängnis. Im Mai 2022 wurde er bedingt entlassen", sagt Ebner. 

Der Streit zwischen Vater und Sohn hat sich in den Tagen vor der Tat mehr und mehr aufgeschaukelt. Am 19. Jänner gegen zwei Uhr früh dürfte der Angeklagte seinen Eltern mitgeteilt haben, dass er wegen Tablettenkonsums nicht in der Lage sei, zu seinem Arbeitsplatz zu fahren. Der Beschuldigte begann kurz zuvor eine Lehre als Bäcker. Der Vater sei mit den Worten "des homma glei" in den ersten Stock gegangen und habe aus einem Tresor ein Gewehr geholt. Der 59-Jährige gab einen ersten Schuss ab. Die Kugel prallte, so Ebner, von der Mauer ab. "Dann ist der Mann nach unten gegangen und einen zweiten Schuss ins Wohnzimmer abgegeben. Über der Couch hat die Kugel eingeschlagen, auf jemanden gezielt hat der Mann nicht. Ich bin überzeugt davon, dass er seinen Sohn, wieder einmal, aus dem Haus vertreiben wollte", sagt der Staatsanwalt in seinem Eingangsplädoyer. Der Versuch, das Gewehr erneut zu repetieren, sei fehlgeschlagen. "Das muss der Angeklagte mitbekommen haben. Diese Situation hat er ausgenutzt. Im Wohnzimmer lag ein Jausenmesser. Er stürmte hinaus in das Vorhaus, wo er begann auf seinen Vater einzustechen", sagt Ebner. Die neun sehr tiefen Messerstiche in Schulter, Bauch und Rücken überlebte der Innviertler nicht. Er rettete  sich noch zu den Nachbarn, verstarb aber kurze Zeit später im Krankenhaus.  Laut Ebner habe er zu den Nachbarn noch gesagt, dass er "Warnschüsse" abgegeben habe. 

Verteidiger Mauhart: "Muss den Teil der Lebensgeschichte erzählen" 

"Kinder sind oft indirekt Opfer", sagt Verteidiger Andreas Mauhart zu Beginn seines Eingangsplädoyers. Dieses werde länger ausfallen, kündigt Mauhart an.  Sein Mandant sei trotz seiner 22 Jahre eigentlich kein Erwachsener. "Man merkt, er ist ein großes Kind, Stand dritte oder vielleicht vierte Klasse.

Er müsse den persönlichen Teil der Lebensgeschichte seines Mandanten übernehmen", sagt Mauhart. "Er war das einzige Kind, sein alkoholkranker Vater hat mit allen gestritten, vor allem wenn er besoffen war, war er unausstehlich. Die Mutter war und ist vom Leben schwer gezeichnet." Seinem Mandant falle es nach wie vor schwer, schlecht über seinen Vater zu sprechen. Auf die Frage, ob er geschlagen worden sei, habe dieser ihm gesagt: "Naja, fünf bis sieben Mal pro Jahr. Einmal musste ich mit einem kaputten Trommelfell ins Krankenhaus", schlüpft Mauhart in die Rolle des 22-Jährigen. Ständige Beleidigungen und "Watschn" habe es hingegen permanent gegeben. Einmal sei es so gewesen, dass der Vater mit dem Sohn in den Wals gefahren sei. "Dort hat er zu meinem Mandanten gesagt: komm, stell dich zum Kofferraum. Mein Mandant hat gedacht, dass da die tote Mama drinnen liegt. Mehr brauche ich nicht sagen, da zieht es mir eine Gänsehaut auf", sagt Mauhart. 

"Mein Mandant war sicher, dass ihn der Vater jetzt erschießen wird."

Laut Verteidiger habe sich die Tat völlig anders als von der Staatsanwaltschaft dargestellt abgespielt. Der erste Schuss habe, so Mauhart, nur zehn Zentimeter über dem Kopf der Mutter eingeschlagen. "Wenn das ein Typ mit 2,5 Promille intus mit einem großkalibrigen Gewehr macht, dann ist das kein Warnschuss", sagt Mauhart. Der 22-Jährige habe sich hinter der Tür im Wohnzimmer versteckt. "Das war der einzige Ort, wo man ihn nicht gleich gesehen hat", sagt Mauhart. Der Schuss habe genau dort eingeschlagen, wo der Angeklagte wenige Augenblicke zuvor noch gesessen sei. "Sein Kopf wäre explodiert wie eine Melone", sagt Mauhart. Sein Mandant habe gehört, dass der Vater erneut repetiere. "Dann hat er sich gedacht, jetzt oder nie und hat versucht, dem Vater die Waffe zu entreißen." Es sei zu einer Rangelei gekommen. Die Messerstiche seien in seiner Lage die einzige Möglichkeit gewesen, einem Gewaltverbrechen zu entgehen. "Mein Mandant war sich sicher, dass ihn der Vater jetzt erschießen wird." Für Mauhart ein klarer Fall von Notwehr, klarer gehe es nicht.

"Ohne Lokalaugenschein am Tatort wird es nicht gehen!"

Mauhart kündigt an, weitere Beweisanträge zu stellen. Ohne einen Lokalaugenschein am Tatort werde es nicht gehen. "Eine 3D-Tatortrekonstruktion wird einem schwindlig, da kennt sich niemand aus. Man muss dort gewesen sein. Das Haus ist klein, niedrig und hellhörig. Ein Bodybuilder würde nicht einmal über die Stiege hinaufkommen", sagt Mauhart. 

Dieser Artikel wird aktualisiert. 

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Autor
Thomas Streif
Redaktion Innviertel
Thomas Streif
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