Mädchen stand plötzlich zwei Wölfen gegenüber
WINDHAAG BEI FREISTADT. "Papa, ich bin oben beim Brunnen, hol mich bitte" – hörbar aufgelöst klang die Tochter von Leo und Anita Affenzeller am vergangenen Sonntagabend am Telefon. Wenige Minuten zuvor war die 13-Jährige zu einer Laufrunde aufgebrochen, die durch ein kleines Waldstück hinter dem Haus der Affenzellers in Windhaag bei Freistadt nahe der Grenze zur Tschechischen Republik führen sollte.
Nur wenige hundert Meter muss der Vater laufen, ehe er seine Tochter erreicht. Sie steht unter Schock, ist jedoch unverletzt. Als sich das Mädchen nach kurzer Zeit gesammelt hat, berichtet sie ihren Eltern von einer Begegnung mit zwei Wölfen. "Sie hatte beim Laufen Kopfhörer in den Ohren, fühlte sich auf einmal beobachtet", sagt Leo Affenzeller. Nachdem sie ein "Rascheln" gehört hatte, seien die zwei Tiere nur wenige Meter entfernt von ihr gestanden. Als das Mädchen davonzulaufen versuchte, habe zumindest eines der Tiere die Verfolgung aufgenommen. Erst auf dem danebenliegenden Acker sei der Wolf stehen geblieben und kurz danach im Wald verschwunden.
Auch drei Tage nach dem Erlebnis sitze der Schock bei seiner Tochter noch tief, wie Affenzeller im OÖN-Gespräch berichtet. An Ausflüge in den Wald sei im Moment nicht zu denken, zu groß sei die Angst. Obwohl Wolfssichtungen von Jägern oder Nachbarn nichts Ungewöhnliches seien, "beschäftigt einen so ein Vorfall tagelang, gerade wenn es sich um die eigene Tochter handelt", sagt Affenzeller.
Vermutlich Jungtiere
Kenntnis von dem Vorfall hat mittlerweile auch das Land Oberösterreich, wie Benjamin Öllinger von der Abteilung für Land- und Forstwirtschaft bestätigt. "Uns wurde die Sichtung schriftlich übermittelt, wie jede Sichtung nehmen wir auch diese sehr ernst." Die Schilderung des Mädchens, wonach es sich um zwei Tiere gehandelt habe, decke sich auch mit der Beobachtung eines in der Nähe lebenden Landwirts, der vor wenigen Tagen ebenfalls zwei Tiere beim Land gemeldet habe.
Besonderer Grund zur Sorge sei laut Öllinger das Verhalten, das die Tiere an den Tag gelegt hätten. "Dass Wölfe die Nähe zu einem Menschen suchen und dabei neugierig sind, ist eher untypisch". Der Leitfaden des Landes Oberösterreich kategorisiert ein solches Zusammentreffen als "kritisch" beziehungsweise "problematisch", sagt Ölllinger.
Eine Erklärung für das Verhalten bietet Wolfgang Sollberger, Wolfsbeauftragter für das Mühlviertel: "Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich um Jungtiere, die vor kurzem ein Rudel verlassen mussten und seitdem Anschluss suchen." Wölfe, die vor kurzem geschlechtsreif geworden sind, seien weniger scheu als ältere Artgenossen.
"Nicht weglaufen"
Zum Abschuss könnten die beiden Tiere noch nicht freigegeben werden, dazu braucht es laut dem Wolfsexperten noch einen weiteren Vertreibungsversuch. Grundsätzlich rät Sollberger jedem, der im Wald einem Wolf begegnet, nicht einfach davonzulaufen. "Das ist die schlechteste Option, dadurch kann bei den Tieren der Jagdinstinkt zu Tage kommen." Vielmehr sollte versucht werden, einen Wolf durch Schreie zu verscheuchen. (fep)