Ein grenzüberschreitender Wegweiser durch die Mühlviertler Unterwelt
BAD ZELL. Im Mühlviertel sind 152 Erdställe bekannt. Josef Weichenberger kennt sie alle ganz genau
Wer im Gasthaus "Zum feuchten Eck" in Bad Zell die Gaststube in Richtung Kegelbahnen durchquert, findet dort auf der rechten Seite eine metallene Tür vor. Hinter dieser Tür verbirgt sich einer der größten bekannten Erd-ställe des Mühlviertels. Insgesamt sind 152 solcher in den Sandstein oder den Granit gehauene Rückzugsorte im Mühlviertel bekannt. Warum sie angelegt wurden, welche Techniken dabei zum Einsatz kamen und warum es für viele dieser Erdställe auch eigene Sagen gibt, damit befasste sich ein Forschungsprojekt im Mühlviertel und in Tschechien, das nun abgeschlossen wurde.
Heimat "böser Dämonen"
Projektleiterin dieses Leitfadens durch die Mühlviertler Unterwelt ist Elisabeth Schiffkorn vom Verein "Kultur Plus". Ziel der vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung finanzierten Initiative sei es gewesen, den Forschungsstand über die Erdställe im Mühlviertel und in Südböhmen auf einen aktuellen Stand zu bringen. Schiffkorn: "Wir haben dazu auch die Grundrisse der einzelnen Erdställe verglichen und uns die Frage gestellt, warum viele dieser Plätze als Sitz böser Dämonen Eingang in die überlieferte Volkskultur gefunden haben."
Die meisten der Erdställe seien zwischen 1000 und 1400 nach Christus in unmittelbarer Nähe von Bauernhöfen entstanden, sagt Josef Weichenberger. Der langjährige Mitarbeiter des OÖ. Landesarchivs beschäftigt sich seit 45 Jahren mit den Erdställen in Oberösterreich. "Die meisten sind zwischen zehn und 40 Meter lang. Größere Exemplare gibt es nur selten, denn diese anzulegen, war Schwerstarbeit. Man kann davon ausgehen, dass ein Bautrupp innerhalb von einer Woche einen halben Meter Vortrieb geschafft hat. Für einen typischen Erdstall hat man also ein Jahr gearbeitet."
Wesenstypisch für einen Erdstall seien die "Schlupfe" genannten Engstellen. Diese seien angelegt worden, um Eindringlinge – etwa Räuber, die einen Bauernhof überfallen hatten – fernzuhalten. Laut Weichenberger gibt es zudem Hinweise darauf, dass einige der Erdställe auch kultische Bedeutung hatten: "Sie waren eine Art Leergrab für die Geister von Ahnen, die man in seiner Nähe haben wollte."
Nur wenige sind zugänglich
Während die meisten Erdställe in Privatbesitz und auch nur im engsten Bekanntenkreis zugänglich sind, werden einige wenige auch touristisch genutzt, etwa die "Ratgöbluckn" in Perg oder der Erdstall beim Gasthaus Populorum in Bad Zell. Letzterer ist eine fixe Station von historischen Marktführungen für Kurgäste und Interessierte, die jeden zweiten Donnerstag angeboten werden. "Eine Erkundung des Erdstalls ist für viele unserer Kurgäste ein bleibendes Erlebnis, bei dem wir auch viel über die Geschichte des Mühlviertels vermitteln können", sagt Hans Hinterreiter, Obmann des Kulturforums Bad Zell.