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Doppeltes Lottchen kam in Oberösterreich zur Welt

Von Josef Lehner, 06. September 2024, 00:04 Uhr
Doppeltes Lottchen kam in Oberösterreich zur Welt
Die erste Verfilmung stammt aus dem Jahr 1950. Bild: OON

LINZ. Vor 50 Jahren ist der deutsche Schriftsteller Erich Kästner gestorben. Erinnern Sie sich noch an eines seiner bekanntesten Kinderbücher? Die Geschichte beginnt in Linz. Oder auch nicht.

Eigentlich fängt "Das doppelte Lottchen" ja im fiktiven oberbayerischen Erholungsdorf Seebühl am Bühlsee an. Dort stoßen in einem Ferienheim die neunjährige Luise Palfy aus Wien und die neunjährige Lotte Körner aus München aufeinander. Zu ihrem Entsetzen stellen sie fest, dass sie einander nicht nur ähnlich sehen, sondern dass beide am 14. Oktober geboren sind ...

Lotte fragt: "Und wo bist du geboren?"

Luise erwidert leise und zögernd, als fürchte sie sich: "In Linz an der Donau!"

Lotte fährt sich – so heißt es in dem 1949 erschienenen Bestseller – mit der Zunge über die trockenen Lippen: "Ich auch!"

Niemand weiß heute, warum Erich Kästner die Geschichte in Linz ihren Ausgang hat nehmen lassen. Vater Ludwig Palfy ist Komponist und Dirigent und hat wohl zur Zeit der Geburt der Zwillinge eine Anstellung am Landestheater gehabt, können wir heute konstruieren. Es spielt im weiteren Verlauf keine Rolle mehr. Linz liegt halt so schön auf halbem Weg zwischen Wien und München, mag der Autor angenommen haben. Dorthin ziehen die beiden Elternteile nach ihrer Trennung. Vater Ludwig Palfy steigt an die Staatsoper auf und nimmt den lebensfrohen Wirbelwind Luise mit, Mutter Luiselotte, geborene Körner, erhält die kluge und gewissenhafte Lotte zugesprochen und wird in der bayerischen Hauptstadt als Bildredakteurin bei einer Illustrierten arbeiten. Die beiden Mädchen entscheiden im Ferienheim, dass sie ihre Rollen tauschen werden, mit dem Ziel, die Eltern wieder zusammenzubringen.

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Es entsteht eine ebenso rührende wie turbulente Geschichte, die als Buch Dutzende Auflagen, auch in fremden Sprachen, erfährt und weltweit rund zwei Dutzend Mal verfilmt wird. Kästner hat die Geschichte 1948 während eines Aufenthalts auf der Insel Frauenchiemsee geschrieben. Luiselotte ist übrigens der Vorname seiner Lebenspartnerin. Die Erstausgabe erscheint ein Jahr später beim Züricher Verlag Atrium mit dem Untertitel "Roman für Kinder von Erich Kästner".

Das allein zeigt, wie ernst der Erfolgsautor seine kleinen Stammkundinnen und -kunden genommen hat. Es ist nicht nur eine Geschichte für Kinder, sondern "Das doppelte Lottchen" enthält eine Menge Gesellschaftskritik. Heftige Debatten in Medien und bis hinein in die Familien folgen. Denn Luiselotte Körner ist – für das stockkonservative Nachkriegsdeutschland (und Österreich) völlig unpassend – als erfolgreiche Alleinerzieherin dargestellt. Der Vater dagegen ist ein versponnener, alltagsuntauglicher Künstler. Tradierte Geschlechterrollen bekommen ebenso einiges ab wie das verkorkste Schulsystem. Schon 1950 entsteht von dem Stoff eine erste, deutsch-österreichische Filmproduktion. Die Zwillinge werden gespielt von Jutta und Isa Günther; sie sind Jahrgang 1938 und daher deutlich älter als die Romanheldinnen.

Ganz verrückt sind die Japaner nach Kästner-Büchern. 1951 wird das Lottchen in Nippon erstmals verfilmt, 1953 dann in England, unter dem Titel "Twice Upon A Time", also "zwei auf einmal". 1961 macht sich Hollywood erstmals über den Stoff her, in US-amerikanischer Szenerie, Titel: "The Parent Trap", also die Elternfalle. Bis 1989 sollen drei Teile entstehen, Letzterer unter dem Titel "Ein Zwilling kommt selten allein".

Erich Kästner – die Biografie

Vor wenigen Wochen wurde des 50. Todestages von Kästner gedacht. Er ist am 29. Juli 1974 in München im Alter von 75 Jahren verstorben und verdankt seinen Ruhm nicht nur seinen Kinderbüchern. Diese haben ihn freilich zu einem der weltweit meistgedruckten Schriftsteller deutscher Sprache gemacht. Die erfolgreichsten Titel: "Emil und die Detektive" 1929, "Pünktchen und Anton" 1931, "Das fliegende Klassenzimmer" 1933, "Drei Männer im Schnee" 1934, "Die Konferenz der Tiere" 1949.

Wegen seiner kritischen Gedichte, Kabaretttexte und unter anderem seines systemkritischen Romans "Fabian" (1931) wurden Kästners Bücher von den Nazis verbrannt, er selbst wurde mit Schreibverbot belegt. Er durfte aber unter Pseudonym Drehbücher für Propagandafilme verfassen und wurde deshalb nach dem Krieg kritisiert. Der Großteil seiner Künstlerfreunde war 1933 emigriert. Kästner wurde mit vielen Ehrungen bedacht, unter anderem dem Georg-Büchner - und dem Hans-Christian-Andersen-Preis. In der Geburtsstadt Dresden erinnert ein Museum an ihn.

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Autor
Josef Lehner
Redakteur Wirtschaft
Josef Lehner

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