Das sticht ins Auge
Wels hat bekanntlich fünf Partnerstädte, während sich Linz 20 Städte leistet, das ist allerdings nichts gegen das vergleichsweise kleine Lassee (3027 Einwohner) im Bezirk Gänserndorf in Niederösterreich, mit 27 Partnerstädten absolute Österreichmeisterin.
Interessant indes ist, dass man hierzulande kaum Partnergemeinden in den USA findet, vermutlich, weil man dort nicht mal weiß, wo oder was Österreich ist ("Kleines isoliertes Bergvolk im Korjakengebirge in Kamtschatka"). Linz ist eine rare Ausnahme, man ist unter anderem verpartnert mit Kansas City, einer Stadt mit seltsamen Gesetzen, dort ist es beispielsweise illegal, Ochsenfrösche in einem Tomatenbeet zu fangen, und man darf einen Alligator nicht an einem Hydranten festbinden. Außerdem droht einem, wenn man dabei erwischt wird, Erdnüsse in der Kirche zu essen, eine einjährige Haftstrafe.
Es ist gut möglich, dass das auch für Linz gilt, denn bestimmte Charaktereigenschaften übertragen sich häufig auf den Partner. Aber in Wels kann man beruhigt weiter Erdnüsse statt beispielsweise Oblaten bei der heiligen Kommunion oder der Ohrenbeichte schnabulieren.
Im Linzer Museum Lentos gibt’s im Souvenirladen Linzer-Augen-Ausstecher zu kaufen, das ist insofern interessant, dass diese barbarische Attitüde, jemandem die Augen auszustechen, einerseits musealisiert wird und anderseits ungeahndet bleibt, während man den Ochsenfröschen die Tomatenbeete zum Plündern überlässt.
Und meine Recherche hat ergeben, dass diese kleinen, gemeinen Werkzeuge mit ziemlicher Sicherheit vom Keksausstechformen-Weltmarktführer Krifka stammen, ansässig in der Welser Schmierndorferstraße 19 im Stadtteil Bernardin.
Ist das nun eine subtile Rache der Welser an den Linzern, für eine Gemeinheit, die Linz Wels vielleicht irgendwann mal angetan hat? Oder gar ein enttäuschter Welser, der mit Kansas City noch ein Hühnchen zu rupfen hat, eine verschmähte Liebe, ein gestohlener Koffer, und nun stechen sich die Kansasbewohner gegenseitig die Augen aus, weil Wels via Linz Krifkas Apparatur dorthin exportiert hat?
Auffällig auch, dass des Herstellers Name verblüffend dem von Franz Kafka ähnelt, der vor hundert Jahren in einem kleinen Lungensanatorium in Kierling bei Klosterneuburg gestorben ist. Von Kafka gibt es eine Erzählung namens "In der Strafkolonie", in ihr geht es kurz gefasst darum, dass man mit einer Art Bestrafungsmaschine dem Delinquenten das übertretene Gebot in einer langen und blutigen Prozedur immer tiefer in den Körper ritzt, also gleichsam schreibt, was schließlich zu seinem Tode führt.
Ich will jetzt Krifka nicht unterstellen, was Kafkas Phantasmagorien entsprang, aber das kundige Auge des Stadtschreibers sieht Analogien, über die man allzu gerne hinwegsieht. Vor allem wenn man keine Augen mehr hat.