Fassungslosigkeit in Griechenland: Zugunglück mit mindestens 46 Toten
ATHEN. Bergungsarbeiten noch nicht abgeschlossen; Ursache vermutlich menschliches Versagen
Fassungslosigkeit herrscht nach dem größten Zugunglück seit Jahrzehnten in Griechenland. Beim Zusammenstoß eines Güter- mit einem Personenzug sind mindestens 46 Menschen ums Leben gekommen. Die beiden Züge seien auf demselben Gleis aufeinander zugefahren, sagte der Gouverneur der Region Thessalien, Konstantinos Agorastos, im Fernsehsender Skai TV. Laut ersten Vermutungen dürfte menschliches Versagen Unfallursache sein.
Die ersten vier Wagen des Personenzuges seien entgleist, sagte Agorastos. Die beiden Wagen an der Spitze des Zuges hätten Feuer gefangen und seien nahezu vollständig zerstört worden. Viele Passagiere hätten sich Brandwunden zugezogen und seien in Krankenhäuser transportiert worden.
Rund 250 Passagiere konnten in Sicherheit gebracht werden. Sie wurden in Bussen nach Thessaloniki gefahren. Örtliche Medien berichteten, an Bord des Passagierzuges seien rund 350 Menschen gewesen.
Österreicher dürften nicht unter den Opfern sein. "Nach unserem derzeitigen Kenntnisstand sind keine österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger vom Zugunglück in Griechenland betroffen", heißt es aus dem Außenministerium in Wien.
Bildergalerie: Zugunglück in Griechenland: Bilder der Unfallstelle
Galerie ansehenEisenbahnsystem veraltet
Das Eisenbahnsystem in Griechenland ist veraltet und muss modernisiert werden. Viele Strecken sind eingleisig. Häufig fehlen automatische Steuerungssysteme. Trotz der Modernisierung mit neuen Brücken und Tunneln und zwei Gleisen entlang der gesamten rund 500 Kilometer langen Strecke Athen–Thessaloniki gebe es erhebliche Probleme bei der elektrischen Koordination der Verkehrskontrolle, hieß es im Staatsfernsehen.
"Wir fahren wie in alten Zeiten von einem Streckenteil zum anderen per Funk. Die Stationsleiter geben uns grünes Licht", sagte Kostas Genidounias, Präsident der Gewerkschaft der Lokführer, im staatlichen Rundfunk. Warum dies geschieht und kein modernes Leitsystem funktioniert, konnte er nicht sagen. Die griechischen Bahnen (Hellenic Train) werden von der italienischen Staatsbahn Ferrovie dello Stato Italiane (FS) betrieben. Griechenland hatte 2017 im Zuge seines Rettungsprogrammes in der Schuldenkrise den Eisenbahnbetreiber an die italienische Bahn verkauft.
Die Zahl der Todesopfer könnte noch steigen. Mittwochfrüh liefen die Bergungsarbeiten mit Kränen, schwerem Gerät und auch mit Spürhunden weiter. Bei Rettungskräften und Reportern herrschte Fassungslosigkeit.
Verkehrsminister trat zurück
Wenige Stunden nach dem Unglück ist gestern der griechische Verkehrsminister Kostas Karamanlis zurückgetreten. Die aktuelle Regierung habe die griechische Eisenbahn vor dreieinhalb Jahren in einem Zustand übernommen, der nicht ins 21. Jahrhundert passe, teilte Karamanlis gestern mit. Man habe seither alles getan, um diesen Zustand zu verbessern. "Leider reichten diese Bemühungen nicht aus, um einen solchen Unfall zu verhindern. Das ist sehr schwer für uns alle und für mich persönlich." Wenn so etwas Tragisches passiere, sei es nicht möglich, so weiterzumachen, als sei nichts geschehen.