Das Kohleland Brandenburg steht am Wahltag vor einer großen Zäsur
POTSDAM. Der seit 1990 regierenden SPD droht am Sonntag der Absturz auf Platz zwei – hinter der AfD.
Das ostdeutsche Bundesland Brandenburg ist seit der Implosion der DDR SPD-Land. Seit der Wiedervereinigung 1990 stellen die Sozialdemokraten den Ministerpräsidenten – erst Manfred Stolpe, dann ab 2002 Matthias Platzeck und nun seit 2013 Dietmar Woidke. Der 57-Jährige würde sein Amt gerne behalten – doch das ist alles andere als gewiss.
Bei der Landtagswahl am Sonntag könnte erstmals die rechtspopulistische AfD Platz eins erobern. Die beiden Parteien liefern sich in den Umfragen seit Wochen ein Kopf-an-Kopf-Rennen – wobei sich in den vergangenen Tagen die SPD wieder auf Platz eins schieben konnte. Zuletzt wurden der SPD 21 und der AfD 20 Prozent prognostiziert. Etwas weiter hinten finden sich CDU, Linkspartei und die Grünen. Die FDP muss um die Rückkehr in den Landtag bangen.
44 Prozent Unentschlossene
Eine große Unwägbarkeit ist allerdings die hohe Zahl der Unentschlossenen: Eine Woche vor der Wahl gaben 44 Prozent der zwei Millionen Wahlberechtigten an, noch nicht zu wissen, wem sie bei der Wahl am Sonntag ihre Stimme geben werden.
Klar ist, dass die Regierungsbildung in Potsdam schwierig wird, denn die aktuelle rot-rote Koalition ist von einer Mehrheit weit entfernt. Und sowohl SPD als auch CDU haben eine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten ausgeschlossen. Es wird also wohl eine Dreierkoalition geben. Eine denkbare Variante wäre ein rot-rot-grünes Bündnis in Potsdam.
Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass Kathrin Dannenberg, die Spitzenkandidatin der Linkspartei in Brandenburg, sogar eine Koalition mit der CDU nicht ausschließen will. Und CDU-Spitzenmann Ingo Senftleben hat angekündigt, nach der Wahl mit allen Parteien reden zu wollen. Ein Bündnis mit der Linkspartei strebt er aber ebenso wenig an wie mit der AfD – dies würde auch der offiziellen Linie der CDU-Bundespartei widersprechen.
Die Themen, die die Wähler umtreiben, sind die miserable Infrastruktur – es gibt etwa eine schlechte Internetverbindung, zu wenige Lehrer und übervolle Pendlerzüge. Denn jahrelang ist man davon ausgegangen, dass das Bundesland schrumpft und die Bevölkerung älter wird. Doch das Gegenteil ist der Fall: Immer mehr junge Familien siedeln sich an – nicht zuletzt auch, weil das nahegelegene Berlin immer teurer wird.
Kohleausstieg als Aufreger
Zweites bestimmendes Thema ist der Kohleausstieg und der daraus resultierende Strukturwandel. Die Lausitz ist nach dem Hambacher Forst in Nordrhein-Westfalen das zweitgrößte Braunkohlerevier der Bundesrepublik. Und spätestens 2038 soll damit Schluss sein.
Für Tausende Brandenburger stellt sich damit erneut die Zukunftsfrage – für viele von ihnen zum zweiten Mal seit dem Untergang der DDR vor 30 Jahren. In der Lausitz sind 8000 Menschen direkt im Tagebau oder in den Kraftwerken beschäftigt – insgesamt hängen 20.000 Menschen an der Kohle. Gestern hat die Bundesregierung den betroffenen Regionen in Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen Förderungen in der Höhe von 40 Milliarden Euro zugesagt. Und doch bleibt große Skepsis, insbesondere in Brandenburg.