Ist der Aufstand der Ortschefs berechtigt?
Gemeinden würden finanziell ausgehungert, entmachtet und zu Bittstellern degradiert. Mit heftigen Vorwürfen rebellieren acht rote, ein schwarzer und ein Bürgerlisten-Bürgermeister gegen das Land.
Gemeinden würden finanziell ausgehungert, entmachtet und zu Bittstellern degradiert. Mit heftigen Vorwürfen rebellieren acht rote, ein schwarzer und ein Bürgerlisten-Bürgermeister gegen das Land. Sie fordern eine Neuregelung der Finanzströme zugunsten der Gemeinden, damit diese wieder mehr Geld, Macht und Autonomie bekämen. Haben sie mit ihrem Aufstand recht?
Helmut Brückner, Direktor des Landesrechnungshofs OÖ
Der Landesrechnungshof tritt seit Jahren für eine Stärkung der Gemeindeautonomie ein und unterstützt Entwicklungen, die die Eigenverantwortung der Gemeinden stärken. Die verfassungsrechtlich verankerte Gemeindeautonomie ist aus meiner Sicht zu achten. Angesichts der Finanzlage wird die Situation der Gemeinden deutlich schwieriger. Vor diesem Hintergrund habe ich Verständnis dafür, dass die Bürgermeister verstärkt auf die Probleme aufmerksam machen. Letztlich braucht es aber gemeinsame Anstrengungen der Gebietskörperschaften, um die Probleme zu lösen.
Albert Ortig, Bürgermeister (VP) in Ried/Innkreis
Nein. Das ist so, wie wenn ein erfolgloser Unternehmer, der seine Firma in den Abgrund steuert, den Kunden und Lieferanten die Schuld gibt, weil sie zu wenig zahlen bzw. zu viel verlangen. Als Bürgermeister bin ich gemeinsam mit dem Gemeinderat dafür verantwortlich, meine Ausgaben so zu steuern, dass ich mit meinen Einnahmen auskomme.
Den finanziellen Handlungsspielraum einer Gemeinde kann man erhöhen, indem man Kooperationen in der Region sucht. Jammern und anderen die Schuld zu geben, das war noch nie meines.
Harald Piritsch, Bürgermeister (FP) von Steinhaus
Der Aufstand der Bürgermeister-Initiative ist sicher berechtigt, da das Land nicht reformfreudig ist. Die Gemeinden werden von den Kosten wie z.B. Sozialhilfeverband, Krankenanstalten usw. erdrückt. Eine Neuberechnung der Verteilung der finanziellen Mittel ist unbedingt erforderlich. Ebenso die Abschaffung der aufgeblähten Strukturen. Kooperationen zwischen den Gemeinden gehören gefördert, die Autonomie einer Gemeinde muss aber erhalten bleiben, wobei aber auch z.B. die Anzahl der Gemeinderäte überdacht werden soll. Derzeit sind es sicher zu viele.
Susanne Heilinger, Volksschuldirektorin
Ich verstehe die Anliegen der Bürgermeister, aber nicht die Art, ihrem Unmut Luft zu machen. Sich etwas über die Medien auszurichten, ist nicht in Ordnung und zeugt von mangelndem Respekt im Umgang miteinander. Besser wäre es, sich an einen Tisch zu setzen und einen gemeinsamen Nenner zu finden. Sich Türen offen zu halten, anstatt sie zuzuschlagen, ist effektiver. Die Bürgermeister müssen auch das Land verstehen, denn es kann auf Dauer nicht mehr verteilen, als vorhanden ist. Und gespart werden muss in den kommenden Jahren in allen Bereichen.
Helmut Berger, Selbstständiger
Natürlich ist der Aufstand berechtigt. Dass die Belastungen immer mehr werden, man um jeden Euro betteln gehen muss und selbst keine Spielräume mehr hat, ist ein speziell oberösterreichisches Problem. Wir haben eine Zentralisierung, die meiner Meinung nach niemandem dient.
Ob die Bürgermeister vorher mit ihren Landesparteichefs geredet haben, weiß ich nicht sicher. Aber ihren Unmut gibt’s nicht erst seit gestern. Ich gehe schon davon aus, dass der eine oder andere vorgesprochen hat und kein Gehör fand.
Andreas Janko, Professor an der Johannes-Kepler-Uni Linz
Zweifellos ist die finanzielle Situation in vielen Gemeinden gegenwärtig äußerst angespannt. Gleiches gilt als Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise allerdings auch für Bund und Land. Um größeren finanziellen Handlungsspielraum zu gewinnen, sollten die Gemeinden versuchen, vorhandene Einsparungspotentiale zu heben, etwa durch verstärkte Inanspruchnahme der gerade erst erweiterten Möglichkeiten zur überregionalen Kooperation oder durch Initiativen zur Übertragung von Aufgaben der individuellen Hoheitsverwaltung an die Bezirksverwaltungsbehörden.
Walter Reischl, Chemiefacharbeiter
Ich habe mich mit dem Bürgermeister-Aufstand noch nicht näher befasst. Grundsätzlich denke ich, eine finanzielle Besserung der Gemeinden wäre schön und gut. Aber das Problem ist, dass eben nichts vorhanden ist. Wenn das Land mehr Geld hätte, würde es vielleicht auch mehr hergeben. Das ist momentan sicher nicht einfach.
Egon Höll, Bürgermeister (SPÖ) von Obertraun
In der Form eines „Aufstandes“ findet das Vorhaben nicht meine Zustimmung. Inhaltlich werden aber durchaus wichtige Anliegen angesprochen.
Obertraun ist schon sehr lange eine sogenannte Abgangsgemeinde. Vom Land her wurden wir, gerade auch in den letzten sieben, acht Jahren, sehr gut unterstützt. Aber unsere eigenen Sparbemühungen werden regelmäßig dadurch zunichte gemacht, dass unsere Einnahmen kaum die steigenden Ausgaben, insbesondere im Bereich der Sozialhilfe und der Krankenanstaltenbeiträge, decken. Das ist einfach ein Faktum.
Ulrike Böker, Bürgermeisterin, Bürgerliste „Pro o.“
Ich finde die Anliegen meiner Bürgermeisterkollegen richtig und werde mich mit ihnen schon bald in Verbindung setzen. Wir müssen mit den Landespolitikern in Diskussion treten.
Für mich steht zum Beispiel die Frage im Vordergrund, warum die Autonomie der Gemeinden nicht gestärkt und ihr Gestaltungsspielraum vergrößert wird – etwa indem die Mittel der Landesumlage, die das Land vom Bund erhält und dann an die Gemeinden weiterverteilt, wieder direkt an die Gemeinden ausbezahlt werden.
Petra Rinnerberger, Geschäftsführerin eines modegeschäftes
Ich finde schon, dass der Aufstand der Bürgermeister in der vergangenen Woche gerechtfertigt war. Ich habe von der Aktion der Ortschefs zwar nichts mitbekommen, aber wenn einer Bürgermeister ist, ist es doch klar, dass er selbst mehr finanziellen Handlungsspielraum in seiner eigenen Gemeinde haben möchte und nicht vor jeder größeren Ausgabe das Land fragen will.
Abstimmung wird geladen, bitte warten...
Ob die Forderungen der Bürgermeister gerechtfertigt sind sei dahingestellt.
Wie aber die Landespolitiker mit den "aufmüpfigen " Gemeindechefs umgehen zeigt die ganze Präpotenz von LH und Co. und auch den Gemeindebund bzw. dessen Präsidenten als Speichellecker der LReg. Konsequenz : Abschaffung der Landtage und Regierungen - niemand braucht diese.
Da ich über 40 Jahre in einem Gemeindeamt gearbeitet habe, davon 26 Jahre als Amtsleiter, kenne ich diese Materie sehr gut. Der Bürgermeisteraufstand in dieser Form ist nicht richtig. Die Gemeinden haben im OÖ. Gemeindebund ihre Interessensvertretung, welcher für die Gemeinden kämpfen soll. Im übrigen mache ich die Aussage, dass ca. die Hälfte der Abgangsgemeinden bei sparsamer Wirtschaftsführung keine Abgangsgemeinde sein müsste. Dazu verweise ich auf folgendes:
1. Personalkosten: In meinen Gemeinden entfielen auf 620 Einwohner ein Gemeindebediensteter. Würde man die 2.Wohnsitze in der Gemeinde auch dazu zählen, stiege die Einwohnerzahl sogar auf über 700 ! Voraussetzung ist natürlich ein ausgezeichnetes Personal, wenig Leeläufe, gute Organisation und effizientes Arbeiten. Das gleiche war auch im Bauhof zu verzeichnen, wo ein Bauhofarbeiter auf 1500 Einwohner kommt.
2. Liegenschaften: Viele Gemeinden kaufen Häuser sonstige Liegenschaften, ohne dass ein dringender Bedarf besteht.
toller Kommentar!
leider gibt es wenige amtsleiter, die ihre qualifikation und vor allem ihr wirtschaftliches denken vorweisen können. unsere gemeinde im salzkammergut,völlig pleite, beschäftigt ein heer
an beamten und mitarbeitern.
im rechnungshofbericht des landes ist ein vernichtendes urteil
über die führung des amtes niedergeschrieben worden.
nun ist bgm beleidigt, bin selbst gemeindebediesteter.
eine landesführung wäre sinnvoll und professionell.
RHbericht altmuenster im internet nachzulesen.
raus aus den schulden. es muss sich was bewegen, damit sich was bewegt