Niki Lauda: Der Geradlinige im Kreisverkehr
Der dreifache Formel-1-Weltmeister und Unternehmer starb im Kreis der Familie. Ein Nachruf von Christoph Zöpfl und Dietmar Mascher.
Seine letzten Stunden waren geprägt von einem intimen Miteinander mit seiner Familie. Im Kreis seiner Lieben ist einer entschlafen, der die Welt in Atem hielt, Bewunderer jubeln und Gegner fluchen ließ. Einer der als Sportler und Unternehmer niemanden kalt ließ und der sich angeblich wegen seines Geizes manches nie, aber eines immer leistete: eine eigene Meinung. Niki Lauda ist in den frühen Morgenstunden des 20. Mai gestorben. Er hinterlässt seine Frau Birgit und fünf Kinder aus zwei Ehen und einer Affäre.
Es war keine Überraschung, dass der Körper des 70-Jährigen nun versagte (das war nach seiner Grippe und der Lungentransplantation schon befürchtet worden), sondern eher ein Wunder, dass Lauda 70 Jahre alt wurde. Wenn man die Geschwindigkeiten in seinem Leben als Autorennfahrer, Pilot und Unternehmer berücksichtigt, können nur wenige Menschen auf so viel Leben zurückblicken.
1976 ging er durch das Feuer
Der einschneidende Punkt im Leben des Andreas Nikolaus Lauda war der Unfall am Nürburgring am 1. August 1976. Der Amateurfilm (die Fernsehstationen hatten dort keine Kameras postiert), der seither immer und immer wieder gezeigt wird, zeigt, wie Lauda im Ferrari im Streckenabschnitt Bergwerk verunglückte und sein Wagen mit 200 Litern Treibstoff Feuer fing. Arturo Merzario und andere Fahrerkollegen konnten ihn aus seinem Wagen befreien. Lauda erlitt schwere Verbrennungen und schwebte lange in Lebensgefahr.
Aber der Mann mit der Kämpfernatur überlebte und fuhr 42 Tage später wieder ein Autorennen. "Immer wenn ich später vor scheinbar unlösbaren Aufgaben stand, habe ich mir gesagt: Du hast das damals geschafft. Also schaffst du das auch."
Als er Mitte Dezember nach der Lungentransplantation mit der Reha begann, wusste er schon, wie schwer dieser Weg zurück werden wird. "Das ist nicht zu vergleichen mit meinen Brandwunden nach dem Nürburgring-Unfall", sagte Lauda in einem Interview mit dem Schweizer Journalisten Roger Benoit. Dieser war damals nach dem "Nürburgring-Barbecue" (so nannte Lauda gerne seinen Feuer-Unfall) der einzige Reporter, der Zugang ins Spital hatte. Und kurz vor Weihnachten 2018 wohl auch einer der letzten, dem Lauda ein Interview gab. Er habe wirklich einen Grund, fröhlich zu sein, sagte er damals schon mit leise gewordener Stimme. Wenige Wochen später zwang eine Grippe Lauda zurück in das Krankenhaus. Den Weg zurück schaffte er nicht mehr.
Er spielte russisches Roulette
Dass Lauda nicht mehr im Fahrerlager der Formel 1 auftauchen wird, ist für seine dortigen Weggefährten derzeit noch undenkbar. Alle waren davon ausgegangen, dass ein Kämpfer wie er auch diese Prüfung meistern wird. Erst als der Vollgas-Zirkus nach den Überseerennen nach Europa übersiedelte und ein Comeback des 70-Jährigen immer noch nicht spruchreif wurde, ahnte man, dass Lauda schwerer als geglaubt zu kämpfen hat. Aber dass er gar nicht mehr zurückkommt, daran wollte niemand glauben.
Die außergewöhnliche Willenskraft, gepaart mit einer Fähigkeit, aus einer messerscharfen Analyse schnell und kompromisslos die richtigen Konsequenzen zu ziehen, hatte schon den jungen Rennfahrer Lauda ausgezeichnet. Nur zu Beginn seiner Motorsport-Karriere, die er gegen den Willen seiner Eltern und eines despotischen Großvaters heimlich auf Touren brachte, spielte er russisches Roulette. Er verschuldete sich über beide Ohren (die hatte er damals noch), kaufte sich in technisch nicht gerade fitte Teams ein und spielte praktisch "alles oder nichts". Als er dann endlich die Kurve vom Geheimtipp zum Versprechen für die Zukunft kratzte, drehte er den Spieß um und wurde zum zähen und gefürchteten Verhandler. Damit brachte er sogar den legendären Enzo Ferrari zum Toben, der beim Vertragspoker von Lauda clever und smart über den Tisch gezogen wurde.
"Niki Nationale" war sein Geld wert. 25 Grand-Prix-Siege und drei Weltmeistertitel standen auf seinem Tacho, als er 1985 endgültig den Rennwagen ins Eck stellte. Ganz loslösen konnte er sich vom rasanten Kreisverkehr jedoch nicht. Er meldete sich als TV-Experte für den deutschen Privatsender RTL, als Konsulent bei Ferrari und wurde 2012 schließlich zehnprozentiger Anteilhaber und Aufsichtsratsvorsitzender beim Mercedes-Team.
Dort wurde er auch für seine mediatorischen Fähigkeiten geschätzt, wenn die Alphatiere im Rennstall in Streit gerieten. Lauda galt als einer der wenigen, der wusste, wie man Superstar Lewis Hamilton domestiziert. Aus dem Bad Boy von früher ist inzwischen ein Gentleman geworden, fast zumindest.
Ab 1979 ging er in die Luft
Noch während Lauda oft Autos schnell im Kreis fuhr, gründete der passionierte Pilot seine erste Fluglinie, zunächst 1979 mit
zwei Fokker-27 eine Bedarfsfluglinie. Später wurde die Lauda Air daraus, die Linien- und Charterflüge anbot. Das rote Kapperl, das schon beim Rennfahrer Lauda zum Markenzeichen geworden war, stand nun auch für Luftfahrt mit weniger formellen Luftbegleiterinnen, essbarer Bordverpflegung und einem Chef, der bei der Bezahlung geizte, sich aber nicht zu schade war, seinen Mitarbeitern an Bord zu zeigen, wie man das Häusl richtig putzt.
Der schlimmste Absturz
Der 26. Mai 1992 war für Lauda wohl der zweite einschneidende Tag in seinem Leben. Eine Boeing 767 stürzte auf dem Weg nach Thailand ab. Alle 223 Menschen an Bord starben. In dieser schrecklichen Stunde zeigte Lauda, dass er nicht der arrogante Geizhals war, als der er gerne dargestellt wurde. Wie er die Causa in Transparenz und Empathie für die Hinterbliebenen behandelte, war ein Beispiel für professionelles Krisenmanagement und die menschliche Seite des sonst recht kaltschnäuzigen Unternehmers, der sich nur wenig offiziell zur Schau gestellte Emotion erlaubte.
Als Unternehmer war Lauda nicht nur auf der Siegerstraße unterwegs. Er bezeichnet sich gern als "lästiger Molch", der die anderen sekkierte. Wirtschaftlich war das allerdings nicht immer recht erfolgreich. Zunächst musste der Konkurrent AUA die strauchelnde Lauda Air auffangen. 2003 begann er mit der Billig-Airline Niki der AUA allerdings wieder Konkurrenz zu machen. Später verkaufte er die Airline an die Air Berlin, die letztlich pleite ging. Als 2016 über das Vehikel Amira Air von der insolventen Air Berlin Niki wieder zurückkaufte, taufte er sie in Laudamotion um, verärgerte die Lufthansa und präsentierte schließlich Ryanair als neuen Partner. Zuletzt verhagelte Lauda Ryanair noch kräftig die Bilanz.
Niki Lauda ist tot
Der österreichische Sport hat einen seiner Größten verloren. Formel-1-Legende Niki Lauda ist tot.
Alles unter einer Kappe
Wirtschaftlich hat Lauda zwar stets einiges riskiert. Letztlich sollen ihm aber 200 Millionen Euro an Vermögen geblieben sein. Er galt damit als einer der reichsten Österreicher. Das hing auch damit zusammen, dass er als idealer Werbeträger galt. Seiner Kappe fehlte es nie an einem Sponsor. Und Firmen wie der ING-DiBa bescherte er einen Bekanntheitsschub, als er in der Werbung mit seinem Ruf als Geizhals kokettierte: "Ich habe ja nichts zu verschenken."
Lauda scheute nur selten das Licht der Öffentlichkeit. Er sprach offen über seine Verbrennungen, die Kappe lüftete er allerdings nur selten. Er war nicht nur im Motorsport und in der Luftfahrt für seine klaren Analysen bekannt, sondern sprach auch über Politik und machte beim Thema "Political correctness" aus seinem Herzen keine Mördergrube. Geradlinigkeit und Unbeirrbarkeit waren Charaktereigenschaften, die ihm niemand absprechen wollte.
Die Verbrennungen auf dem Nürburgring hinterließen bei Lauda nachhaltig Spuren. Seine Organe streikten immer wieder. Sowohl sein Bruder Florian als seine um einiges jüngere Frau Birgit spendeten ihm eine Niere. Nach der Ehe mit Marlene, mit der Lauda zwei mittlerweile erwachsene Söhne hatte, fand er bei Birgit so etwas wie Geborgenheit, Gelassenheit und Freude an der Vaterrolle für die Zwillinge Max und Mia, die heuer zehn Jahre alt werden.
Lauda hat in seiner letzten Biografie seine Geschichte in drei Leben eingeteilt. Er hatte ein Rennfahrer-Dasein, eine Unternehmer-Laufbahn und schließlich sollte er noch zum Familienmenschen werden. Ein viertes Leben war ihm nicht mehr vergönnt.
Lauda und Linz
Einen Boxenstopp in Linz – den machte Niki Lauda gerne. Schon als junger Rennfahrer war er Stammgast bei der Jochen-Rindt-Show in der ESG-Halle. Bei den OÖNachrichten absolvierte er damals eine Telefonstunde. Später, am 21. Dezember 1984, kam er als frischgebackener dreifacher Formel-1-Weltmeister zu einer besonderen Ehrenrunde in Oberösterreichs Landeshauptstadt . OÖN-Mitarbeiter Günther Stadlmann hatte „Niki Nationale“ nach Linz gelotst, wo er vor Tausenden Schaulustigen in einem offenen Wagen über die Landstraße zur Promenade chauffiert wurde.
Auf dem Balkon der OÖNachrichten präsentierte er an der Seite des damaligen Landeshauptmannes Josef Ratzenböck seine WM-Trophäe und begann seine Ansprache mit den Worten: „Ich werde nicht sehr viel und sehr lange reden.“ Dann bedankte er sich bei seinen oberösterreichischen Fans für ihre Hilfe. Ratzenböck zeigte sich von Laudas Persönlichkeit beeindruckt. „Er sagt, was er denkt. So deutsch sollten auch wir Politiker reden.“
Die OÖN-Besuche absolvierte der geschäftstüchtige Formel-1-Star übrigens zum Nulltarif. Er erkundigte sich vorher allerdings immer über die Auflage der Zeitung – daraus errechnete er offenbar eine Win-win-Situation.
Eine Luftbrücke von Moskau nach Linz schlug Lauda schon 1980, als er die damalige Dressur-Olympiasiegerin Sissi Theurer mit seiner Fokker von den Sommerspielen abholte. Auch das Siegerpferd „Mon Cherie“ hatte im extra umgebauten Flugzeug Platz.
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Ich habe auch keinen Wehrdienst geleistet und treibe Sport! Troll, wenn sie die Steuersituation nicht kennen!