Doppel-Weltmeisterin Elisabeth Görgl: „Anfangs war ich wirklich schlecht“
Als Sportlerin des Jahres 2011 erlebte Doppel-Weltmeisterin Elisabeth Görgl gestern Abend einen Höhepunkt ihrer Karriere. Hoch hinaus ging sie mit den OÖN am Gletscher in Sölden. Ein Gipfelgespräch über ihren Seelenfrieden, Playboy-Angebote und warum sie Glühbirnen ohne Lampenschirm beleuchten.
OÖN: Wie sehr definiert man sich als Schneesportler im selbst ernannten Ski-Land Nummer eins über Erfolg?
Görgl: Erfolg ist für jeden Menschen wichtig, egal welcher Berufssparte. Wenn man an einer Herzenssache arbeitet, ist es schön, wenn sich Erfolg einstellt. Ich finde es aber wichtig, dass man sich nicht darüber definiert. Dass man nur etwas wert ist, wenn man Erfolg hat.
OÖN: Ist dir* das immer gelungen? Oder fühlst du dich als Doppel-Weltmeisterin mehr wertgeschätzt wie als Platzfahrerin?
Görgl: Anfangs war das schwierig. Die Welt funktioniert so: Wenn man Erfolg hat und oben steht, wird man angehimmelt. Wenn nicht, ist man halt auch dabei. Je mehr man sich mit sich auseinandersetzt, desto mehr findet man den Selbstwert. Das mit dem Mittigsein hab ich schon oft erzählt... Es ist schön, wenn man draufkommt, wer man ist, was man ist, was man kann, was nicht. Da bekommt man einen Frieden und ist nicht mehr so abhängig von außen.
OÖN: Ist der Skisport in Österreich ein Luxussport?
Görgl: Immer mehr. Meine Eltern hatten damals einen Kredit für die Schulkosten in Stams und Schladming aufgenommen, den ich später zurückzahlte. Ich hatte Glück, bekam Förderungen. Von der Stadt Kapfenberg, Skifirmen unterstützen mich. Weil ich gut war und ein großes Talent...
OÖN: …und deine Mama Traudl WM- und Olympia-Medaillen gewonnen hatte?
Görgl: Das war vielleicht anfangs so. Bei der Aufnahmeprüfung in Schladming war ich wirklich schlecht. Ich hatte wenig Training, kein gutes Material, keinen Rennanzug. Die anderen Kinder trainierten schon am Gletscher. Ich war hinten nach. Aber ich sagte, ich will Ski fahren, da kann die Eisenbahn drüberfahren. Sie haben mich aufgenommen, vielleicht, weil die Traudl meine Mutter ist. Und mein Bruder Stephan ein Jahr davor ein Wackelkandidat war und sich gut entwickelte. Ich bekam den Vertrauensbonus. Was sich auszahlte, weil ich schnell die Beste in der Klasse war und alles gewonnen hab.
OÖN: Wäre Lizz Görgl nicht Skifahrerin, was dann?
Görgl: Es muss mich von innen befriedigen. Beim Skifahren kann ich mich entfalten. Vielleicht wären Musik oder Tanzen etwas gewesen. Beim Skifahren ist es einfach: Du musst die Schnellste sein. Musik oder Tanzen sind nicht messbar. Innenarchitektur hat mich auch immer interessiert.
OÖN: Wie ist deine Wohnung ausgestattet?
Görgl: Zugegeben, mit der war ich überfordert. Dazu braucht man Zeit und Muße, die habe ich als Skifahrerin nicht. Deshalb hängen bei mir immer noch die Glühbirnen ohne Lampe von der Decke. Ich habe Pflanzen in der Wohnung, einen Staubsauger, der von selber fährt, total praktisch.
OÖN: Findest du, dass die Athleten in dem von FIS, Wirtschaft und Industrie gesteuerten Weltcup-Konstrukt untergehen?
Görgl: Jeder hat etwas davon. Die Sportler eine Plattform, auf der sie sich verwirklichen können, die Grenzen ausloten, unglaubliche Emotionen erleben. Das geht nur, wenn ihnen wer zuschaut, wenn das die Industrie durch Materialentwicklung fördert, wenn der Organisator alles auf die Füße stellt. Was ich zu bedenken gebe: Der Leistungssport hat die Tendenz immer höher, schneller, weiter. Muss das sein? Es sollte im Rahmen bleiben, moralisch vertretbar, für den Körper machbar. Die Diskussion ums Material, die Sicherheit, um Pisten, Kurssetzung, Rennkalender – es gibt viel, was man verbessern könnte.
OÖN: In Kitzbühel erlebt man alljährlich den Grenzgang zwischen Show und Risiko. Würde es dich reizen, auf der Streif abzufahren?
Görgl: Es wäre interessant, aber wie kann man den Kurs für Damen anpassen, damit er machbar ist? Vom Interesse, dem Drumherum wär es ein Wahnsinn.
OÖN: Werden die Frauen im Skisport benachteiligt?
Görgl: Beim Preisgeld verdienen wir weniger als die Herren. Dabei haben unsere WM-Abfahrt im Fernsehen mehr gesehen als die der Herren. Aber ich bin nicht gefrustet. Ich schaue, dass ich meine Arbeit gut mache.
OÖN: Maria Riesch legt mit acht Kilogramm weniger viel Gewicht auf ihre Vermarktung in High-Heels, auch Lindsey Vonn stellt sich nicht nur als Skifahrerin dar. Setzen sich die beiden künstlich in Szene?
Görgl: Nein, finde ich nicht. Entscheidend ist, dass man sich wohl fühlt in seiner Haut. Nach meiner zweiten Kreuzbandverletzung hab ich auch acht Kilo abgenommen, war von der Ausdauer ein Viech. Aber wenn ich gestürzt bin, flog ich auf die Knochen, hatte blaue Flecken, alles tat weh.
OÖN: Wie überredet man dich zum Bikini-Shooting?
Görgl: Ganz einfach, ich mag meinen Körper mittlerweile ja. Er muss halt gut geschminkt werden (lacht).
OÖN: Wie reagierst du auf eine Playboy-Anfrage?
Görgl: Das wäre zu viel. Da gibt es schon Grenzen.
* Im Gipfelgespräch sind wir wie in den Bergen üblich per Du.
Österreichs Sportlerin des Jahres 2011
Ein Satz reicht nicht, wenn Elisabeth Görgl beschreibt, wer Elisabeth Görgl ist. Es fallen die Worte „komplex, individuell, ernst, lustig, ruhig, übergedreht“ oder doch: „vielseitig“. Nachdem die 30-Jährige, die in Innsbruck mit Aksel Lund Svindal benachbart ist und im steirischen Parschlug aufwuchs, bei der WM im Februar in Garmisch den WM-Song „You’re the hero“ geträllert hatte, bretterte sie zu Gold in Abfahrt und Super-G. Ihr persönlicher Held und Liebling ist der um sechs Jahre jüngere Manuel Bayer aus Attnang. Zweimal olympisches Bronze hatte die Allrounderin 2010 erobert, diese Medaillen hat einst auch ihre Mutter Traudl Hecher eingefahren. Lieber als mit der Mama spricht Lizz mit Mentalcoach Helmut Zangerl. Gestern Abend lebte sie in der Eventpyramide in Vösendorf hoch: Sie wurde als Sportlerin des Jahres ausgezeichnet.
Dieser Weg wird ein leichter sein: Ein 3000er ohne Schweißtropfen
Mit Xavier Naidoo würde Lizz Görgl gerne ein Duett singen, aber ein Ohrwurm vom Sohn Mannheims passte an jenem Schönwettertag nicht so ins Bild: „Dieser Weg wird kein leichter sein, dieser Weg ist steinig und schwer.“ Ganz einfach war unser Ausflug mit der Schwarzen Schneidbahn in Sölden, die uns in null Komma nix vom Rettenbachferner auf die Bergstation eine Viertelstunde unterhalb der Schwarzen Schneid (3370 m) hievte. Ist ja die klassische Aufstiegsvariante für einen Skifahrer. Nachdem Görgl nach dem Trainingsvormittag abgeschwungen und sich die Zehen am Kachelofen im Bergrestaurant erwärmt hat, ist die 30-Jährige bereit für den nächsten Angriff über die 3000er-Grenze zum Gipfelgespräch. Wir gondeln über den steilen Hang, auf dem sie zu Saisonstart als drittschnellste Riesentorläuferin in ein Jubelmeer raste. Nach dem Ausstieg drehen wir eine Runde mit grandiosen Blicken auf ein Nebelmeer über dem Ötz- und Pitztal. Die Gipfel ragen wie Inselketten heraus, den Himmel berühren sie fast. Görgls Papa war Religionslehrer – welchen Draht sie nach oben hat? „Ich glaube an Gott, aber nicht an die Institution Kirche.“ Was sie befremdlich findet? „Darüber müssten wir ein eigenes Interview machen... Es gibt viele Dinge, die ich nicht gut finde. Die Ereignisse in der Vergangenheit alleine sind Grund, dass man die Kirchensteuer nicht mehr bezahlt.“ Die Steirerin ist im Alltag keine, die Ja und Amen sagt. „Ich kann sehr hart zu mir sein – und zu anderen.“ Heute meint sie es milde. Hinunter geht’s nicht in Oberschenkel-zermürbender Hockeposition, sondern in gemütlicher sitzender...
Gipfelgespräche online: Die ganze Serie finden Sie unter nachrichten.at/gipfelgespraeche
jetzt schnell ein buch schreiben, ein lied aufnehmen
und dann noch orf reporterin werden
oder gar moderatorin eines sportquiz,...nix für ungut,
alles gute !