Über Gewinn und Zinsen abstimmen
LINZ. Mit radikalen Vorschlägen warten Christian Felber von der globalisierungskritischen Organisation ATTAC und ÖGB-Bildungsreferent Sepp Wall-Strasser im OÖN-Gespräch anlässlich der heutigen Gründungskonferenz für das „ÖGB-Funktionsforum für Bildung“ ...
LINZ. Mit radikalen Vorschlägen warten Christian Felber von der globalisierungskritischen Organisation ATTAC und ÖGB-Bildungsreferent Sepp Wall-Strasser im OÖN-Gespräch anlässlich der heutigen Gründungskonferenz für das „ÖGB-Funktionsforum für Bildung“ auf. Banken und Gewinnverteilung der Unternehmen sollen „demokratisiert“, das Recht auf Privateigentum eingeschränkt werden.
OÖN: Das Recht auf Eigentum ist eine Säule der Demokratie und des Wirtschaftssystems. Sie wollen es weitgehend abschaffen?
Felber: Die aktuelle Wirtschaftskrise zeigt, dass die Macht der Finanzkonzerne so groß geworden ist, dass sie die Freiheit der meisten Bürger sehr einschränkt. Wirtschaftsrechte sind stärker als Menschenrechte, globale Konzerne haben aber auf völkerrechtlicher Ebene nullkommajosef Verpflichtungen. Das absolut gestellte Recht auf Privateigentum steht zum Beispiel der Zerschlagung der Banken im Weg. Das heißt aber nicht, dass ich für eine völlige Abschaffung des Privateigentums bin.
OÖN: Sondern?
Felber: Für ein Mittelding. Firmen mit zehn Mitarbeitern sind nicht undemokratisch und freiheitsbeschränkend für andere. Aber eventuell ab 500 Mitarbeitern könnten gewählte Belegschaftsvertreter und ein Vertreter der Gesellschaft mitentscheiden.
OÖN: Also, in einem Familienunternehmen wie Greiner mit 7800 Mitarbeitern sollten Betriebsrat und Politiker mitbestimmen?
Wall-Strasser: Ja, über die Gewinnverteilung, Produktentwicklung und Innovationen. Für Betriebsräte bedeutet das freilich ein riesiges Erziehungsprogramm.
OÖN: Und wenn Verluste erwirtschaftet werden, tragen sie die Mitarbeiter mit?
Wall-Strasser: Die tragen die Mitarbeiter sowieso. Über Lohnkürzungen und Mitarbeiterabbau.
OÖN: Wie stellen Sie sich das in der Praxis vor?
Felber: So ein neues Modell kann nicht von heute auf morgen eingeführt werden. Aber in zehn Jahren könnte es gehen.
OÖN: Dann werden viele Unternehmen nicht mehr wachsen wollen und neue Arbeitsplätze schaffen, wenn ihnen Betriebsrat und Bürgervertreter dreinreden.
Felber: Dann können sie entscheiden, ob sie klein bleiben oder mit Mitbestimmung wachsen wollen.
OÖN: Sie verbeißen sich in Ihrem neuen Buch speziell in die systemrelevanten Banken. Was müsste man ändern?
Felber: Alle Banken müssten per Gesetz wieder am Gemeinwohl orientiert sein. Die Zinsen müssten demokratisch festgelegt werden. Keine Bank darf mehr als fünf Prozent des Marktes bestimmen.
OÖN: Zwingt die Wirtschaftskrise zum Umdenken oder geht’s weiter wie bisher?
Wall-Strasser: Derzeit passiert kein Lernen. Der große Crash wird noch kommen.
Felber: Wenn wir diese Demokratisierung nicht schaffen, konservieren wir den derzeitigen Zustand. (dm/uru)