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Russlands atomares Zentrum in Niedersachsen

Von Stefan Scholl, 11. Juli 2024, 21:04 Uhr
Russlands atomares Zentrum in Niedersachsen
Russischer Staatskonzern Rosatom arbeitet mit Franzosen zusammen. (APA/Maltseva) Bild: APA/AFP/OLGA MALTSEVA

MOSKAU. Rosatom und Framatome bereiten eine Produktion von AKW-Brennstäben in Deutschland vor

Zumindest was Kernkraft angeht, hat Russlands Präsident Wladimir Putin nach wie vor mehr als nur einen Fuß in der europäischen Tür.

Es geht um drei rote Container, die Mitte April auf dem Gelände der Brennelementefabrik im niedersächsischen Lingen aufgetaucht und die nach Angaben des russischen Portals kedr.media in einem Frachtschiff aus Russland nach Rotterdam gelangt sind – Container ohne Gefahrgut-Beschriftung.

Umweltschützer gehen deshalb davon aus, es handle sich um keine der weiterhin üblichen Uranlieferungen. Sie vermuten, in den Containern befinde sich Ausrüstung zum Ausbau der Produktion atomarer Brennelemente in der Fabrik, die einer Tochter des französischen Konzerns Framatome gehört. Bürger der Kleinstadt berichten von russischsprachigen Besuchern, die das Fabrikgelände seit einiger Zeit regelmäßig betreten und verlassen. Es wird geargwöhnt, das seien Monteure oder Instrukteure des russischen Staatskonzerns Rosatom, die die Produktionserweiterung vorbereiteten, obwohl bisher keine Genehmigung der Landesregierung vorliege.

"Gefahr von Sabotageakten"

Framatome versicherte dem ZDF-Magazin Frontal, kein einziger Russe werde während der Produktion von Brennelementen auf dem Fabrikgelände sein. Ökologen warnen trotzdem vor der Gefahr künftiger russischer Sabotage- oder gar Terrorakte auf dem Gelände. Angebliche Rosatom-Techniker könnten dieses ausspähen. Aber vor allem warnen sie vor der französisch-russischen Business-Strategie, die dahinterstehen mag.

"Framatome will eine Gemeinschaftsproduktion mit Rosatom", sagt Wladimir Sliwjak von der exilrussischen Umweltorganisation Ecodefense. "Sie möchten in Lingen Brennelemente für ganz Europa herstellen – offenbar nicht nur für alte sowjetische Atomreaktoren, die in Osteuropa und Finnland stehen, sondern auch für Reaktoren westlichen Bautyps, etwa in der Schweiz oder den Niederlanden." Während Europa Gas- und Ölimporte aus Russland drastisch eingeschränkt habe, drohe die Abhängigkeit von Rosatom zu wachsen.

Moskaus Stellung auf dem Weltmarkt für Atomenergie beeindruckt. Laut New York Times kontrolliert Rosatom 46 Prozent der Kapazitäten zur Anreicherung von Uran. Laut der Energiewirtschaftsforschungsgruppe Bruegel bezog die EU 2022 30 Prozent ihres angereicherten Urans von den Russen.

Uran-Preis vervierfacht

Außerdem boomt Atomkraft, ob in China, Japan, Südkorea oder der Türkei. Brennstoff ist gefragt, die Uran-Preise vervierfachten sich auf dem Weltmarkt in den vergangenen vier Jahren.

Das mag einer der Gründe dafür sein, dass es bisher keine EU-Sanktionen gegen Rosatom oder gar ein Importverbot seines angereicherten Urans gibt. Nach Ansicht von Experten fehlen sowohl in Europa als auch in den USA die Produktionskapazitäten, um das radioaktive Erz aus Russland zu ersetzen. In der EU stehen in fünf Ländern 18 sowjetische oder russische Reaktoren, in der Slowakei und Ungarn sind zwei weitere in Bau.

Seit Februar 2022 bemühen sich vor allem Finnen und Tschechen, Rosatom durch andere Brennstofflieferanten wie die US-Firma Westinghouse zu ersetzen, zumindest teilweise. Aber die Tschechen bestellten auch bei Framatome – das könnte sie demnächst wieder mit russischem Brennstoff beliefern.

Reaktoren in Osteuropa

Fachleute betrachten den Staatsmonopolisten Rosatom wie früher Gazprom als wirtschaftspolitisches Instrument, mit dem der Kreml andere Staaten in seine Einflusssphäre ziehen will. Zum Beispiel Ungarn: Dort errichtete noch die Sowjetunion vier Atomreaktoren, die etwa 50 Prozent des ungarischen Stroms herstellen.

Sliwjak sagt, Rosatom könne durch das geplante Gemeinschaftsunternehmen mit Framatome seine jährlichen Exporte in die EU von geschätzt einer Milliarde Euro um 50 Prozent erhöhen. Und es sei für die Russen offenbar billiger, angereichertes Uran nach Lingen zu transportieren als fertige und gefährlichere Brennstäbe. "In der Heimat werden sie Brennstäbe für Drittländer herstellen, für China, Bangladesh oder Ägypten. Lingen soll Rosatoms neuer Brennstäbe-Hub für Europa werden."

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Autor
Stefan Scholl
Russland-Korrespondent
Stefan Scholl
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3  Kommentare
3  Kommentare
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
soistes (886 Kommentare)
am 12.07.2024 10:00

Theaterdonner nur nach außen hin.
Für seltenes Material sind die Russen gut genug als Lieferanten. Das nennt man dann Moral des Westens.

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Hanspeter (308 Kommentare)
am 12.07.2024 06:40

Bravo EU. Sanktionen gegen Öl/Gas damit die Wirtschaft und die Bürger für Energie mehr bezahlen. Bei ATOMgeschäften gelten Ausnahmen. Wasser predigen und Wein trinken. Wahltag = Zahltag.

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NeujahrsUNgluecksschweinchen (27.503 Kommentare)
am 11.07.2024 21:19

Schön, dass die OÖN mal die Atom-Verflechtungen von Frankreich thematisieren.
Kein Wunder, wenn auch die USA mehr als die Hälfte des Urans aus russischen Quellen (oder aus Minen russischer Firmen) stammen, dass es hier keine Sanktionen gibt.

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