Zeuge: "Enormes Geldverbrennen" bei Wirecard
MÜNCHEN. Berater beziffert früheren Kapitalschwund beim Zahlungsdienstleister auf rund zehn Millionen Euro pro Woche.
Im Münchner Wirecard-Prozess nährt ein wichtiger Zeuge den Verdacht der Milliarden-Scheingeschäfte bei dem früheren Dax-Konzern. Vor und nach der Pleite im Juni 2020 fand die auf die Rettung von Krisenfirmen spezialisierte Unternehmensberatung FTI Andersch keine Hinweise auf den Verbleib von 1,9 Milliarden Euro, die auf Treuhandkonten in Südostasien eingezahlt sein sollten.
"Das Verbrennen von Geld bei Wirecard war enorm", sagte der Zeuge, der bei FTI Andersch in leitender Funktion arbeitete. Der Berater bezifferte den damaligen Kapitalschwund bei Wirecard auf etwa zehn Millionen Euro pro Woche.
Der Krisenspezialist schilderte, wie die Beratung im Sommer 2020 die Wirecard-Finanzen durchforstete. Der Anstoß dazu ging von den Wirecard-Gläubigerbanken aus. Die Untersuchung ergab dann, dass zwischen 2015 und 2020 netto fast 500 Millionen Euro aus dem Unternehmen abgeflossen waren, wie der Zeuge berichtete. Der Großteil der in den Bilanzen verbuchten Gewinne wurde demnach von den sogenannten "Drittpartnern" (TPA) im Mittleren Osten und Südostasien erzielt, die laut Wirecard dort Kreditkartenzahlungen im Auftrag des deutschen Zahlungsdienstleisters abwickelten.
"Wir haben fast überall reingeschaut." Andere Wirecard-Gesellschaften hätten "nahezu kein Ergebnis gemacht". "Das bedeutet, ohne das TPA-Geschäft hätte man Verluste gemacht", fragte der Vorsitzende Richter Markus Födisch. "Ja, richtig", bestätigte der Zeuge am 155. Prozesstag in dem unterirdischen Gerichtssaal in der JVA Stadelheim, Bayerns größtem Gefängnis.
Suche nach 1,9 Milliarden Euro
Die - laut Anklage erfundenen - TPA-Erlöse waren es auch, die auf den südostasiatischen Treuhandkonten verbucht wurden. Auffällig erschien dem Berater damals auch, dass der Wirecard-Insolvenz keine Reaktionen dieser Geschäftspartner folgten: "Es hat sich niemand gemeldet von den TPA-Partnern oder von den Händlern."
Insolvenzverwalter Michael Jaffè hat bisher die vermissten 1,9 Milliarden nicht aufspüren können. Der mittlerweile seit mehr als vier Jahren in Untersuchungshaft sitzende frühere Wirecard-Vorstandschef Markus Braun bestreitet sämtliche Anklagevorwürfe und beschuldigt seinerseits eine Gruppe um den abgetauchten Vertriebsvorstand Jan Marsalek und den in München mitangeklagten Kronzeugen Oliver Bellenhaus, Milliarden aus echten Geschäften veruntreut zu haben.