Mit dem Klavier lässt er stumme Helden sprechen
Gerhard Gruber, Österreichs Pionier der Stummfilmpianisten, im OÖN-Gespräch vor seinem Heimspiel in Wels.
Gerhard Gruber, 62, lebt für einen Beruf, von dem viele nicht einmal wissen, dass es ihn gibt: Er begleitet Stummfilme auf dem Klavier – eine fordernde Tätigkeit, die so komplex ist, dass ihr diese einzeilige Beschreibung schwer gerecht wird.
Ob Stan Laurel und Oliver Hardy, Buster Keaton oder Charlie Chaplin, ob Liebe, Komik oder Mord auf der Leinwand, von der kleinsten Geste bis zum großen Krieg, Gruber begleitet, wie er sagt, „die Emotionen, ihre Folgen, und ihre Verbindungen dazwischen“. Das nächste Mal am Freitag in Wels (mehr Infos im Kasten rechts).
Und das ohne Generalprobe: „Ich setze mich nie zu Hause hin, sehe mir einen Film an und spiele dazu.“ Der vielreisende Komponist, der in Wels seine Basis hat, prägt sich einmal Handlung und Rhythmus ein und lebt beim Auftritt seine Leidenschaft: die Improvisation.
Gruber und seine Musik sind deshalb nie schmückendes Beiwerk, sondern Teil eines jedes Mal wieder einmaligen cineastischen Erlebnisses. Er sieht sich auf der Seite von Schauspielern und Regisseur. „Ich beobachte, erzähle mit dem Klavier, begleite, will ein Freund sein. Auf gewisse Weise gehe ich mit etwas einen Weg, das im Grunde tot ist.“ Es gefällt ihm aber trotzdem nicht, wie jenes Medium, das er mit zum Leben erweckt, heißt: „Stummfilm – das klingt wie eine Krankheit. Ihm fehlt aber nichts!“ Obwohl das mit fünf Oscars prämierte Werk „The Artist“ der gesunden Kraft dieses Genres erst vor zwei Jahren breitenwirksam huldigte, ist Gruber skeptisch: „Es ist ein netter Film, exzellent gemacht, aber kein Stummfilm. Es ist eine Hommage.“ Auch, weil er mit seinem Stil der 1940er-Jahre zu spät angesiedelt sei. Kurzfristig hätte er den weltweit wenigen Stummfilmbegleitern sogar geschadet, weil er sie bei den Suchergebnissen im Internet verdrängt hätte. Gruber, der „knapp“ von seiner Berufung leben kann, bekommt sehr viele Aufträge über das Netz. Sie führen ihn nach New York, Tokio, Italien, bald sogar nach Murmansk, wo er in einem alten Atom-U-Boot auf dem Klavier der früheren Besatzung spielt.
Blickt man zurück, scheint es unglaublich, wohin Gruber eine Kombination aus Zufall und Zuneigung brachte. Am 16. Juni 1988 sprang er für einen ehemaligen Schüler ein, als in Linz ein Stummfilm mit einem alten Projektor des LIFKA-Kinos gezeigt wurde. Das Resultat: ein Adrenalinschub, ein hochroter Kopf und eine Initialzündung für die Zukunft. Weit früher, als Schüler im Linzer Petrinum, hatte er Gefallen an Stummfilmen gefunden, die sonntags im Physiksaal gezeigt wurden. Gruber liebte die Subversivität der Stummfilmhelden. „Sie kamen immer alle durch.“
Vielleicht erinnerten sie ihn an ihn selbst. Mit etwa elf Jahren schlich er sich als Ministrant in den Orgelraum von Stift Schlägel, wo er ein Klavier fand, auf dem er klimperte. Wurde er entdeckt? Ja. Kam auch er durch? Sicher. Das Stift ließ ihn zum Organisten ausbilden.
Hörbeispiele:
Silent Movie Stummfilm Film Muet "Cafe Elektric"
Silent Movie Page of madness - Kurutta Ippeiji
Infos
Gerhard Grubers Termine: Welser Arkadenhof Kultursommer: Sa., 17. 8., 20 Uhr, Freiung 35, Info: 0664 / 5131911;
Sommerkino im Moviemento Linz: Do., 22. 8., 20.30 Uhr, Live-Begleitung zu Laurel & Hardy, Info: 0732 / 784090
Heimatfilmfestival Freistadt:
Fr., 23. 8., 18.45 Uhr, Salzhof, Begleitung zu „Die Stadt ohne Juden“, Info: 07942-777 11
Einblicke: Weitere Infos, u. a. zu einem Termin in Gmünd am 24. 8.: www.filmmusik.at;